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meinde der Mevlevviye - davon gleich mehr - lässt uns wieder nach Ana-
tolien zurückkehren, auch wenn der Hintergrund des ekstatischen Tanzes
sich nicht aus einer ausschließlich türkischen Traditionslinie versteht.
Wie auch im Christentum entwickelten sich im Islam neben der staat-
lich-religiösen Orthodoxie früh asketisch-mystische Bewegungen, die ein
besonders intensives Verhältnis zu Gott anstrebten. In der alleinigen Kon-
zentration auf Allah lehnten sie nicht selten materielle Güter ab und klei-
deten sich mit einem einfachen wollenen Gewand (arab.: suf ), das ihren
Trägern den auch heute noch üblichen Namen Sufis einbrachte. Da der
Sufismus (arab.: tasawwuf ) nicht so sehr die Unterwerfung unter Gott,
sondern das Liebesband zwischen Gott und Mensch betont, geriet er ei-
nerseits oft in Konflikt mit den staatlichen und religiösen Würdenträgern,
andererseits verschaffte ihm seine gelebte Religiösität und Liebesmystik
einen schnell wachsenden Einfluss im einfachen Volksglauben.
Waren es anfangs noch einzelne Derwische (nach dem persischen Wort
für Bettler), die ein asketisches Wanderleben führten, so kam es bald dank
der wachsenden Popularität im 12. und 13. Jh. zur Gründung mehrerer
Sufi-Orden (türk.: tarikat ) , deren Mitglieder in einem klosterähnlichen
Konvent (tekke) unter der Leitung eines Scheichs (arab., türk.: ¥eyh ) oder
pir (persisch) lebten.
Das mystische Gedankengut wurde nun in „Schulen“ systematisiert, wo-
bei der Kontakt mit der neuplatonischen Philosophie (eine wirkungsstarke
Seinslehre, die über verschiedene Stufen bis zu Gott aufsteigt) gewisse
Berührungspunkte mit der christlichen Mystik erklärt.
Gleichzeitig entwickelten die Orden verschiedene „Techniken“, um
Gott so nahe wie möglich zu kommen (übereinestufenweiseErhebung);
das höchste und letzte Ziel war die ekstatische Freiheit gegenüber allem ir-
disc h Gewordenen (die „Entwerdung“) und das mystische Verweilen bei
Gott. Neben den traditionellen „Werkzeugen“ der Armut und Askese (Ab-
lehnung der materiellen Welt) traten zunehmend die rhythmische Gottes-
anrufung ( dhikr - die „heulenden Derwische“) und der musikalisch unter-
malte Tanz (sema) als Mittel der Gotteserfahrung in den Vordergrund.
Unter den drei in der Türkei traditionell besonders wichtigen Derwisch-
Orden der Bekta¥i, der Nak¥ibendi und der Mevlevi ist der Mevlevi-Or-
den der wohl berühmteste.
Sein Gründer ist Mevlana („Unser Herr“ = Meister) Celalledin Rumi
(1207-1273), dessen an der Mystik geschulter Vater aus Turkestan stamm-
te und vor den Heeren der Mongolen mit seiner Familie bis ins kleinasiati-
sche Konya floh. Hier wurde Celalledin Rumi im Jahre 1230 Lehrer an ei-
ner theologischen Schule (medrese). Entscheidend wurde für den zukünf-
tigen Mystiker aber die Begegnung mit dem Wanderderwisch Schemsud-
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