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Morgenmantel über dem Nachthemd, den Kopf ganz von einem roten
Tuch verhüllt, wird zu einem Stuhl geleitet.“ 18) Woraufhin die Henna-Pro-
zedur vollzogen wird. Und obwohl es sich hier nicht ausdrücklich und
hauptsächlich um Bauchtanz handelt, sind die kultischen Spuren von
Fruchtbarkeitstanz und „Heiliger Hochzeit“ unschwer erkennbar.
Womit der wesentliche Punkt in der Betrachtung des ältesten weibli-
chen Tanzes noch einmal betont werden soll: Er bedarf, zumindestens in
direkter Weise, keineswegs der Männer, ja selbst als Zuschauer sind sie ei-
gentlich überflüssig. Der Bauchtanz dient eher der Aufwertung und Ver-
deutlichung des eigenen Körper- und Lebensgefühls und stellt so das
rhythmische Harmonieren der weiblichen Kräfte und Schwerpunkte dar,
eben der Hüften und des Beckens, die natürlich sowohl an den Ge-
schlechtsakt wie auch den Geburtsvorgang erinnern (seine auch im Wes-
ten steigende Beliebtheit kann der Baucht anz nicht zuletzt aus seinem Ruf
als natürliche, therapeutische Geburtsvorbereitung erklären; sodass er oft
schon als „Geburtstanz“ tituliert wird 19) ).
Dass die Augen eines Mannes hier vornehmlich nur das zu sehen ver-
mögen, was allein für ihn bestimmt zu sein scheint und was er somit deut-
lich auf sich selbst beziehen kann, also das Sexuelle, mag verständlich
sein. Diese Sicht des Mannes führte aber dazu, dass der Bauchtanz unter
der männlichen Herrschaft und (der damit verbundenen) Herabsetzung
des Weiblich-Sinnlichen auf zwielichtige Baranimation reduziert wurde.
Bis in die jüngste Zeit haftete dem Bauchtanz und seinen Tänzerinnen
die Aura des Schlüpfrigen und Unmoralischen an. Denjenigen, die ihn
im christlichen Westen oder auch islamischen Osten öffentlich, d. h. vor
Männern betrieben, war die gesellschaftliche Verfemung und Verachtung
seitens der „guten“ Gesellschaft ziemlich gewiss. Im Westen wie auch
Osten wurd e der Tanz ohnehin lange Zeit hauptsächlich von sozial wenig
geschätzten Randgruppen wie z. B. Zigeunern öffentlich betrieben; so
wurden die türkischen Bauchtänzerinnen traditionell als çengi bezeichnet,
ein Wort, das seine Nähe zu çingene (Zigeunerin) offenbart. (Noch heute
werden auf dem Dorf für den musikalischen Teil des Hochzeitsfestes gern
Zigeunerkapellen bestellt.)
Die anrüchige Nähe zum Prostitutionsmilieu wurde durch die auf das
Sexuelle reduzierte Anmach-Funktion und die „notwendige“ Entblätterung
der Tanzenden noch unterstrichen. So kann man heute noch, selbst im
harmlosen Touristenmilieu, jene spärlich bekleidete, verführerisch an den
Männern vorbeigleitende Halbnackte bewundern, die den Bauchtanz nur
für die Herren der Schöpfung zu tanzen scheint.
In Wirklichkeit ist der „orientalische Tanz“ - dieser Name allein zeigt
schon an, dass sich in den Schutzräumen des Islam mehr „archaische“
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