Travel Reference
In-Depth Information
geblich daran beteiligt, dass man sich im „prüden“ Westen den uneinseh-
baren Harem als einen Ort der wollüstigen Dekadenz und Ausschweifung
vorstellte - was mehr über die Wünsche der westlichen (Männer-)Welt
denn über die Realität im Osten verriet. All das, was im prüden Westen
verfemt war, erhob sich vor dem geistigen Auge des in den Harem schie-
lenden Beobachters zur phantastischen Orgie. Ein Heer an willfährigen
Frauen, sprich Odalisken (weiße Sklavinnen im türkischen Harem), hatte
nichts anderes zu tun, als ihrem Herrn zu Diensten zu sein - nur auf das
Eine wartend und es durch wollüstige Tänze befördernd. 17)
Die östliche Realität sah wohl anders aus; richtig dürfte sein, dass in den
Harems der Mächtigen und Reichen solche Tänze gepflegt wurden - ging
es doch für die in Konkurrenz zueinander stehenden Frauen nicht selten
darum, den Blick des Sultans oder Paschas auf sich zu ziehen. Mehr aber
als die Orientierung auf den Mann dürfte die Stärkung des weiblichen
Selbstbewusstseins und der Zeitvertreib im öden Leben des Serails dafür
verantwortlichgewesensein,dassdieFrauen-auchuntereinander!-tanz-
ten. Für die „normalen“ Leute war ein großer Harem ohnehin zu teuer -
und die Finanzierbarkeit war eine unerlässliche Voraussetzung für die isla-
mische Regelung, dass ein Mann bis zu vier Ehefrauen gleichzeitig haben
konnte. Dass die Frauen aber auch auf dem Dorf und in weniger reichen
Gesellschaftsschichten „ihren“ Tanz nicht vergaßen, lag daran, dass im Is-
lam den Frauen grundsätzlich Festbereiche reserviert blieben, in denen sie
für sich tanzen konnten, ohne von den Männern gesehen zu werden.
Der fast kultische Verlauf der oben genannten kina gecesi (Nacht vor
der Hochzeit) ist eine solche Gelegenheit, bei der die Frauen unter sich
blieben und heute noch bleiben. Da er für den männlichen Autor weitge-
hend verschlossen ist, soll als modernes Zeugnis der Bericht von Barbara
Yurtda¥ zu Hilfe gezogen werden: „Bei Einbruch der Dunkelheit versam-
meln sich an die hundert weibliche Gäste hinter dem Haus der Braut, wo
Bänke aufgestellt sind und eine Gruppe von drei Frauen zum Tanz auf-
spielt: eine Geigerin, eine Saz-Spielerin, die auch singt, und eine Frau mit
einer kleinen Handtrommel ... Beim Tanz wiegen und schütteln die
Mädchen den Körper voreinander, ohne sich zu berühren. Manche kön-
nen wie Bauchtänzerinnen das Becken kre isen lassen. Auch ältere Frauen,
Zeyneps Mutter und Großmutter, werden zum Tanzen animiert, und ich
bin erstaunt über die Geschmeidigkeit der Bewegungen und das Tempe-
rament, das darin steckt. Wer nicht tanzt, klatscht rhythmisch zur Musik
oder schnalzt mit den Fingern ... Plötzlich ist die Braut verschwunden. Sie
badet und zieht sich um, heißt es. Die Rhythmen werden hitziger. Eine lan-
ge Reihe hat sich gebildet, die Bewegungen beschleunigen sich ... Auf
dem Höhepunkt des Tanzes bricht die Musik ab ... Die Braut, im roten
Search WWH ::




Custom Search