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sakrale, „heilige“ Tanz gerade die weiblichen Körperteile (Bauch und Hüf-
ten), die für die göttliche Kraft der Fruchtbarkeit und Geburt offensichtli-
ches Zeugnis ablegten, schwingen und kreisen ließ.
Die Anrufung und Imitation des göttlichen Prinzips ging soweit, dass
Priester und Priesterinnen die „Göttliche Hochzeit“ (Hieros Gamos) als
Höhepunkt des kultischen Akts vollzogen, eine Praxis, die als Tempelpros-
titution in weiten Teilen Vorderasiens geübt wurde. Und noch auf den
griechischen Festen des Wein- und Fruchtbarkeitsgottes Dionysos wie
auch bei den römischen Mysterienkulten tanzten Mänaden und Bacchan-
tinnen einen orgiastischen Tanz im Namen der Gottheit, die - wie Deme-
ter (die griechische Göttin des Ackerbaus) - im Frühling alles befruchtete
und neu wachsen ließ.
Dieser rituellen „Zügellosigkeit“ - wie auch der damit verbundenen Ver-
ehrung der Muttergottheiten - machte das sittenstrenge Christentum
dann ein Ende. Denn erst dessen weltweiter Siegeszug verhalf dem männ-
lich-göttlichen Prinzip, dem Einen-Gott-Vater, zur umfassenden und allei-
nigen Herrschaft (wohingegen vorher lange ein unentschiedenes Neben-
einander von männlichen und weiblichen Gottheiten geherrscht hatte).
Die Frauen hatten nun keinen sakralen Grund mehr zu tanzen, im Ge-
genteil: Was vorher als Imitation des heiligen und gleichzeitig natürlichen
Zeugungs- und Fruchtbarkeitsprinzips gegolten hatte, wurde mit der kör-
per-, ja materiefeindlichen Lehre der Kirche zur Schande. Die ideell-patri-
archalische Befruchtung durch Gott-Vater, Sohn und Heiligen Geist, die
Geburt der Welt durch das „göttliche Wort“ - und weniger durch den
Uterus - stellte die „sündigen“ Kräfte der Weiblichkeit unter männliche
Vormundschaft (Eva wird - aus der Rippe des Mannes erschaffen - nun
zum sekundären und zudem noch teuflisch-verführenden Prinzip).
Dass die Frauen „ihren“ Tanz trotzdem weitertanzten, wenn auch fort-
hin unter dem Makel des Anstößigen und Halb-Verborgenen, lässt zwei-
erlei vermuten: dass die „Natur“ der Frau vielleicht doch nicht ganz zu
bändigen war und - noch schlimmer! - dass nicht wenige Männer heim-
lich oder offen Gefallen daran fanden.
Dieses männliche Interesse hat sich bis heute nicht geändert; es hat häu-
fig etwas Obszön-Voyeuristisches an sich und drückt ein verstohlenes und
einseitiges Begehren aus. Dieser männliche Blick auf den Bauchtanz -
der sich vom weiblichen Selbstverständnis sehr unterscheiden dürfte - hat
den dubiosen Ruf des Tanzes maßgeblich geprägt. Nicht wenige Männer
schmunzeln anzüglich, wenn es zur obligatorischen „orientalischen“
Nacht in die Hotelbar geht, wo eine spärlich bekleidete Scheherazade
ganz unheilige Gedanken - und viele Geldscheine - auf ihren glänzenden
Bauchgürtel zieht.
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