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Kleeblatt findet, darf sich freuen. Womit Sevilay ihr Notizbuch schließt
und mir lachend ein „weiß-blaues Auge“ schenkt.
Bauchtanz
Mögen die obigen übernatürlichen Kräfte und Praktiken von modernen
Westlern nachsichtig oder auch interessiert als Kuriosum belächelt wer-
den, so hat ein anderes kultisch-rituelles Erbe des „Orients“ längst seinen
Siegeszug durch die westliche Welt angetreten: der Bauchtanz. Er ist kein
türkisches Spezifikum, sondern als „orientalischer Tanz“ ein gemeinsa-
mes Erbe der Frauen von Marokko bis nach Indien; und so soll im folgen-
den keine irgendwie geartete türkische Version, sondern eher der Grund-
charakter dieses Tanzes umrissen werden. Und es soll die auf den ersten
Blick verwirrende Tatsache erklärt werden, warum dieser - im Westen oft
lasziv verstandene - Tanz ausgerechnet aus dem islamischen Raum ver-
erbt werden konnte - eben jenem Raum, der gerne als Ort der perfekten
Unterdrückung der Frau qualifiziert wird.
Der Bauchtanz ist zweifellos vorislamischen Ursprungs, ja seine nicht
zu leugnende weibliche Körperbetonung und -bejahung steht selbstre-
dend in einem höchst ambivalenten Spannungsverhältnis zur patriarchali-
schen Dominanz im Islam. Während nämlich letzterer die körperliche Aus-
strahlungskraft der Frau durch Verhüllung und räumliche Trennung zu
kontrollieren trachtet (vgl. Kapitel „Die Macht der Sexualität - Fitne“),
scheint der Bauchtanz - vor allem in seiner westlich popularisierten Ani-
mationsform - diese Attraktion geradezu herauskehren zu wollen.
Seine historische Einordnung als „Fruchtbarkeitstanz“ lässt sich bis in
die ersten Hochkulturen Mesopotamiens (und auch anderer Kulturen)
zurückverfolgen: Über die babylonische Fruchtbarkeitsgöttin Ishtar, die
kleinasiatische Liebesgöttin Kybele, die römische Magna Mater und die
griechischen Göttinnen Gaia (Erde), Demeter (Erntegöttin) und Aphrodi-
te (Schönheit und Erotik) reicht der Reigen jener großen Muttergottheiten,
welche die Welt oder zumindestens die Fruchtbarkeit aus ihrem Schoß ge-
bären - wobei die Reihe noch um viele Namen verlängert werden könn-
te. „Manche denken, dass das weibliche, schöpferische Prinzip vor dem
des Mannes verehrt wurde ... Die Göttin, so wird angenommen, herrschte
als Hervorbringerin allen Lebens, und Frauen wurden geachtet und ge-
fürchtet, weil sie die Geheimnisse der Natur besaßen.“ 15)
Die Priesterinnen, die diesen Göttinnen zu dienen hatten, führten si-
cherlich kultische Tänze auf, die dem Wesen dieser Gottheit (also ihrer
Macht über die Fruchtbarkeit) Reverenz erwiesen, indem sie die Kräfte
der Göttin nachahmten oder ausdrückten. Was lag näher, als dass dieser
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