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tuelle Tiefe und Auslegungsmöglichkeiten zwar gelehrte Dispute rechtfer-
tigen, dessen Göttlichkeit selbst aber keineswegs in Frage gestellt werden
kann.
Übrigens sind auch Christen und Juden „Buchbesitzer“ (arab.:
ahl al-ki-
tab
) und insofern vor den anderen Religionen ausgezeichnet; allerdings
gelten ihre Bücher als Verfälschungendes göttlichenWorts - zum Beispiel
durch die Proklamation von
Jesus Christus
als Gottes Sohn -, sodass sie
historischeinersei
tsalsSchutzbefohlene
(ahl ad-dimma),
andererseitsauch
alszubekämpfendeUngläubigebezeichnetwerden.Werallerdingseinem
gläubigen Muslim auf die Frage nach seiner Konfession mit einer Nicht-
Buch-Religion oder gar einem atheistischen Bekenntnis antwortet, wird in
der Regel wenig Verständnis und noch weniger Anerkennung finden.
Neben dem Koran gelten die
Hadithe
(türk.:
hadis
) als weitere Richt-
schnur des sozialen und religiösen Lebens. Es handelt sich dabei um über-
lieferte Aussprüche und Handlungen des Propheten, die in der
Sunna
(arab. „Vorbild“, türk.:
sünnilik
) gesammelt vorliegen. Der sunnitische Is-
lam, dem sich auch 80% aller Türken verpflichtet fühlen, stellt weltweit so
etwas wie die islamische Orthodoxie dar, d. h. den richtigen Glauben (ver-
gleichbar mit der katholischen Kirche im Christentum), dem ca. 80 mehr
oder weniger „abweichlerische“ Auffassungen gegenüberstehen (die be-
deutendste unter diesen ist die Schia, s. u.). Koran und Hadithe sind für
sunnitische Muslime die beiden entscheidenden Autoritätsquellen für reli-
giöse wie auch gesellschaftliche Fragen; aus ihnen wird zum Beispiel das
religiöse Recht, die
Scharia
(türk.
¥eriat
), abgeleitet, das von einigen isla-
mischen Staaten (z. B. Pakistan) heute noch angewandt wird.
4. Der
Glaube an die Gottes Wort verkündenden Gesandten
(Prophe-
ten); in einer Kette von
Moses, Abraham
und
Christus
stellt
Mohammed
den letzten, das endgültig wahre Gotteswort sprechenden Verkünder dar.
Seine Vorläufer - neben den oben genannten auch altarabische Figuren
wie
Ad
und
Thamud
- gelten ebenfalls als Allahs Gesandte, deren Bot-
schaft aber durch die Aufnehmenden (auch in der Schrift) verfälscht wor-
den ist.
5. Der
Glaube an den jüngsten Tag,
die „Stunde“; ähnlich wie im Chris-
tentum müssen die einzelnen Seelen vor dem göttlichen Endgericht die
Verantwortung für ihre jeweiligen Taten übernehmen, die über Himmel
(türk.:
cennet
) oder Hölle
(cehennem)
entscheiden.
6. Der
Glaube an die Vorherbestimmung
(k£smet);
der für den Orient
so typische Schicksalsglaube ist im Gegensatz zu den ersten fünf Prinzipi-
en durchaus umstritten und auch nicht eindeutig aus dem Koran ableitbar.
Auch in der Türkei gibt es islamische Interpretationen - wie z. B. in der
Glaubensgemeinschaft der Aleviten (s. u.) -, die dem einzelnen Individu-