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mokratisierungdespolitischenLebensnachsich.Sowurde1987dasTätig-
keitsverbotfürdievor1980maßgeblichenPolitiker-
Demirel
und
Ecevit
-
aufgehoben. Als 1989
Turgut Özal
anstelle des Generals
Kenan Evren
zum
Staatspräsidenten ernannt wurde, hatte sich seine Mutterlandspartei als
maßgebliche politische Kraft bereits weitgehend verbraucht.
Im Oktober 1991 übernahm der Altpolitiker
Demirel
(Partei des rechten
Weges, DYP -
Do¤ru Yol Partisi
) in einer Koalitionsregierung mit der Sozi-
aldemokratischen Volkspartei (SHP -
Sosyaldemokrat Halkçi Partisi
) das
Ruder, um - auch mit Blick auf die angestrebte Aufnahme in die EU - wei-
tere
Demokratisierungsmaßnahmen
durchzuführen. So wurden bereits
1992 Reformen in der Strafprozess- und Haftordnung erlassen, und 1995
wurden insgesamt 16 Artikel der demokratiefeindlichen Verfassung von
1982dergestaltmodifiziert,dassGewerkschaften,Berufsverbändeundan-
dere gesellschaftliche Gruppen ihr Recht auf politische Aktivität zurücker-
hielten. Die
ökonomische Misere der kleinen Leute
konnte aber keine
dieser Reformen auffangen. Die Landflucht führte zunehmend zum An-
wachsenderGeçekondu-SiedlungenandenPeripheriendergroßenStäd-
te. Der Name dieser Siedlungen (
geçekondu
- über Nacht erbaut) leitet
sich von einem alten islamischen Grundsatz ab: Eine über Nacht erbaute
Behausung mit Dach durfte dem Bewohner nicht wieder weggenommen
werden.
UndeswarhauptsächlichdieseMassederunzufriedenenundmeisttra-
ditionell denkenden Geçekondu-Bewohner, die am 24.12.1995 die islami-
stische Wohlfahrtspartei (RP -
Refah Partisi
) zur stärksten Partei machte.
Da unter den uneinigen „bürgerlichen“ Fraktionen keine wie auch immer
geartete Koalitionzustande kommen wollte, geschahdas für die moderne
Türkei Ungeheuerliche: Am 8. Juli 1996 wurde der Vorsitzende der RP,
Neçmettin Erbakan,
m
itdenStimmenderKoalitionsparteiDYPder
erste is-
lamistische Ministerpräsident der kemalistischen Türkei.
Daswestliche
Ausland wie natürlich auch alle Kemalisten - insbesondere das Militär -
beobachteten argwöhnisch, ja entsetzt die ersten politischen Schritte der
„Fundamentalisten“.
DieersteAuslandsreise
Erbakans
führtedennaucham12.8.promptzum
verteufelten Erzfeind des Westens, zu den Mullahs des benachbarten ira-
nischenGottesstaates.Überhauptgingesnuninder
neuen Außenpolitik
darum, die islamischen Staaten zu hofieren, denn
Erbakan
zielte selbstbe-
wusstaufeinenBundislamischerStaaten(D-8-Union),diedenwestlichen
G-7-Staaten entgegenstehen sollte. Da aber gleichzeitig die Aufnahme-
bemühungenindieEUvondenIslamistennichtbehindertwurden,schien
selbst nicht-religiösen Kreisen die Außenpolitik
Erbakans
von Nutzen zu
sein, eröffneten sich doch so zwei - wenn auch gewissermaßen einander