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ten,möglicherweiseeinwenigirritiertenGefühlenquittieren:Geometrisch
nüchtern, kalt und „untürkisch“ glänzen der riesige, nackte Mausoleums-
vorhofunddieimperialeEhrenhalleinderSonne.Somancherwirdsichdes
Eindrucks nicht erwehren können, dass die Anlage in ihrer monumentalen
Größe und Kahlheit einen zu farblosen architektonischen Import der Mo-
derne darstellt, zudem einen, der staatliche Allmacht ausdrückt. Insofern
stellt dieses Mausoleum sicherlich eine zeitgerechte Hommage an den all-
seitsverehrtenStaatsgründerdermodernenTürkeidar,der-ineinemZeit-
alter der nationalen Totalitarismen lebend ( Lenin, Stalin, Mussolini, Hitler,
Franco usw.)-gewissnichtdenschlechtestenTeilpolitischen„Führertums“
für sich reklamieren konnte. Aus dem gleichen Grunde aber vermittelt die
klare, westliche Linienführung der Anlage eine Vorstellung von dem, was
dem Staatsgründer als politisches Ziel vor Augen stand: die völlige Abkehr
von der Vergangenheit, der radikale Frontwechsel in die Moderne und in
den Westen - selbst wenn dabei die historische und kulturelle Farbenviel-
falt der Türkei vereinfacht oder gar vergewaltigt werden musste.
Die osmanischen Sultane jedenfalls hätten diese existentielle Kehrt-
wendung zum Westen auch bei bestem Willen nicht leisten können. Zwar
betrieben sie im 19. Jh. - notgedrungen! - eine an westlichen Strukturen
orientierte Modernisierung, aber sie betrieben sie halbherzig, sozusagen
äußerlich.Dieinneren,politisch-geistigenGrundlageneinesmodernenNa-
tionalstaats konnten und wollten sie nicht legen, denn ein solches Staats-
verständniswardemethnischsovielfältigenOsmanischenReichnichtnur
völlig fremd, es war seinem Wesen geradezu entgegengesetzt. So wäre
auch ohne die militärische Niederlage im Ersten Weltkrieg das Osmani-
sche Reich von innen heraus zerbrochen, denn der universelle Machtan-
spruch des Sultans auf politischer (Osmanismus) wie auch religiöser (Kali-
fat) Ebene war mit den modernen Kräften des Nationalismus und Libera-
lismus nicht zu vereinbaren. Vom Sultan selbst war natürlich kaum die
Selbstentmachtung zu erwarten - der radikale Schnitt sollte einem Mann
vorbehaltensein,deranstelledesSultanszumneuen„Vater“ (ata), nämlich
zu einem nationalen „Vater der Türken“ (Ata-türk), werden sollte.
Mustafa Kemal Pascha (1882-1938), in Saloniki geborener Sohn eines
Beamten, schlug mit dem Besuch der Kriegsakademie die Militärlaufbahn
ein. Bereits im Krieg gegen die Italiener (1911/12), die Libyen vom Osma-
nischen Reich eroberten, hatte der junge Offizier seine Talente unter Be-
weis stellen können, und im Ersten Weltkrieg gewann er militärische Lor-
beeren durch die erfolgreiche Verteidigungder Dardanellen gegen die al-
liierten Truppen (1915).
Nach der Kapitulation des Osmanischen Reiches (30.10.1918) wurden
IstanbulunddieKüstenregionenvondenalliiertenTruppenbesetzt;nurin
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