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ginn des 19. Jh. auch führenden Osmanen klar, würde das Reich zur leich-
ten Beute der immer selbstherrlicher auftretenden Europäer machen.
Nach200JahrenfaktischerAbwesenheitzeigtennunauchwiederdieSul-
tane selbst, dass sie einem weiteren Verfall ihres Staates nicht tatenlos zu-
sehen wollten. Unter Selim III. (1789-1807) und Mahmud II. (1808-39)
wurden - unter westlicher Leitung - zumindestens auf militärtechni-
schem Gebiet erhebliche Veränderungen angestrebt.
Mahmud II. erkannte zudem, dass die alten Truppenteile, allen voran die
Janitscharen, einen ineffizienten und verderblichen Staat im Staate dar-
stellten. Denn ihnen konnte natürlich nichts an irgendwelchen Verände-
rungenliegen,zuprofitabelwarendiealtenZustände,unterdenenessich
wiedieMadeimSpecklebenließ.Am15.Juni1826ließ Mahmud diewie-
dereinmalaufsässigenJanitscharen-zumletztenMalsolltensieihreSup-
pentöpfe als Zeichen des Aufstands umstülpen - in einer lang vorbereite-
ten Aktion von seiner neu aufgebauten Truppe einfach zusammen-
schießen. Die meisten Touristen, die heute über den schmucken Platz At
Meydan£ (das alte byzantinische Hippodrom) zur Sultan Ahmet Moschee
schlendern, ahnen nicht, dass hier Tausende der ehemaligen Elitetruppe
niederkartätscht wurden - die einst so gefürchtete Leibgarde des Sultans
hatte nach 400 Jahren ausgedient.
Aber mit rein militärischen Maßnahmen war das Problem des kulturel-
len Wettlaufs zwischen islamischer Tradition und westlicher Moderne
nicht zu lösen. Die osmanischen Armeen, gleichwohl sie immer stärker
vonpreußischenMilitärberatern(wiez.B. Moltke )reformiertwurden,blie-
ben in technischer Effizienz und Durchschlagskraft noch lange hinter den
Armeen der europäischen Großmächte zurück. Letztere verpflanzten
außerdem ihre - aus Sicht des osmanischen Reichs- zersetzenden Ideen
von Natio nalismus und Liberalismus in den sultanischen Vielvölkerstaat,
der nun an allen Fronten, vor allem von Seiten der christlichen Völker des
Balkans - Griechen, Serben, Bulgaren, Rumänen -, unter Druck geriet.
So wurden schon unter Mahmud II. Reformen geplant, die größtenteils
erst während der nachfolgenden Tanzimat-Periode (1839-76) umgesetzt
werdensollten.UnterdemWort Tanzimat-Reformen ( Tanzimat kannman
in etwa mit „Verordnungen“ übersetzen) werden all jene von „oben“ initi-
ierten Reformprojekte zusammengefasst, die das Reich institutionell und
voninnenherausmodernisierensollten.EinenachwestlichemVorbildzen-
tralisierteundbesoldeteBeamtenschaftsolltediezersetzendeAutonomie
der Reichsfürsten und ihrer Teilgruppen, der Millets, beseitigen. Techni-
sche Schulen traten in Konkurrenz zu den traditionellen Bildungsträgern,
den religiös bestimmten Koranschulen (Medressen), die den Neuerungen
natürlich misstrauisch und ablehnend gegenüberstanden. In einer Rechts-
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