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Denn allen osmanl£s war eines gemeinsam: Sie waren Sklaven des Sul-
tans, empfingen von ihm als dem einzig unverrückbarem Prinzip alle
Macht und Autorität - die der Herrscher auch jederzeit wieder zurück-
nehmen konnte. Ihre herausragende Stellung leitete sich daraus ab, dass
sie als Osmanen zur Familie des Sultans gehörten, der als quasi oberster
„Vater“ die Quelle ihres gesellschaftlichen Ansehens und materiellen
Reichtums war. Ein Sklave (kap£kullar£) des Sultans zu sein, war also - an-
ders als der westliche Begriff des Sklaventums suggerieren will - etwas
höchst Lukratives und Erstrebenswertes.
Dieses einigende Loyalitätsprinzip war die große politische Leistung
desosmanischenStaates,dersechsJahrhunderteüberdauerteundnicht-
wieanderetürkischeStaatsgebilde-aninnerenQuerelenzerbrach.Dabei
war am Anfang des Reiches die alte türkische Aristokratie, deren Führer
fastgleichberechtigtnebendemSultanstanden,durchausvorhandenund
mächtig.AberdieHerrscherbegannenseit Murad I. mitdemAufbaueiner
„Sklavenhausmacht“, um sich so eine von den türkischen Aristokraten un-
abhängigeundnuraufdenjeweiligenHerrschereingeschworeneGefolg-
schaft zu schaffen.
Die berühmteste militärische Größe, die aus diesem Prinzip hervorging,
waren die gefürchteten Janitscharen, eine auf den Sultan allein verpflich-
tete Elitetruppe, die großenteils aus ehemaligen christlichen Knaben be-
stand. Sie wurden in frühem Alter den Familien abgenommen, zu Musli-
mengemachtundinbesonderenSchulenundMilitärakademienerzogen.
Den Sultan sahen sie als ihren „Vater“ und Beschützer an. Diese „Knaben-
lese“ war eine derjenigen Rekrutierungspraktiken (dev¥irme), welche die
Anzahl der kap£kullar£, der „Sklaven der Pforte“ („Hohe Pforte“ wurde der
Regierungssitz genannt), ständig erhöhte.
Unter Mehmed und seinen Nachfolgern waren die kap£kullar£ so zahl-
reich geworden, dass der Sultan fast alle Staatsfunktionen durch „seine
Sklaven“ besetzen konnte und damit dem „osmanischen Prinzip“ zum
Durchbruch verhalf; die alte türkische Aristokratie hatte ausgedient. Be-
lohnt wurden die kap£kullar£ großenteils durch die Beute der Kriegszüge,
sodass das Osmanenreich fast schon aus innerer Logik heraus auf bestän-
dige Expansion angewiesen war. Solange die Kriege erfolgreich waren,
konnten die Sklaven mit verlockenden Gratifikationen bedacht werden,
was die Attraktivität des „Sklaven“-Lebens auch für christliche Abenteu-
rererhöhte;siemusstennurihrenGlaubenwechselnunddas„osmanische
System“ übernehmen, um in der Sklavenhierarchie aufsteigen zu können.
Unter der herrschenden Schicht der osmanischen kap£kullar£ stand die
große Schar der Untertanen (raya), die - wie schon erwähnt - in Millets
und Gilden eingeteilt war. Ihre Funktion war es - grob gesprochen -, dem
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