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Anders sieht es bei der auch in der Türkei wachsenden Zahl von
Straßenkindern aus, die aufgrund zer- oder gestörter Familienverhältnis-
se ihren täglichen Kampf um wenige Lira führen. Mit einer Waage bewaff-
net oder Taschentücher verkaufend, streifen sie von morgens bis abends
durch die Straßen, um ihrem Elternhaus - so sie denn noch eins haben -
wenigstens ein bisschen Geld beizusteuern. Das sorgenlose Kinderleben,
das eingangs beschrieben wurde, hat sich ins drastische Gegenteil ver-
kehrt.
Dennoch sollte man diesen wie auch allen anderen Kindern kein Geld
schenken - auch wenn sich das grausam anhört. Der Junge, der von ei-
nem reichen Touristen vielleicht die Tageseinnahme (oder mehr) seines
Vaters bekommt, wird sich das merken (seine Eltern vielleicht auch, die ihn
zur Wiederholung drängen), und bald werden - wie gelegentlich an Tou-
ristenorten zu sehen - Scharen von Kindern als Bettelnde die ankommen-
den Reisebusse umlagern. Der mehr oder weniger große Erfolg, den sie
dabei haben, wird sie von der Schule und dem Erlernen eines Berufs ab-
halten - denn man verdient ja ganz gut. Ist die Zeit der frühen Kindheit
aber vorbei und versiegen die den „süßen Kleinen“ einst zugeflossenen
Gaben, stehen diese Heranwachsenden ohne jegliche Perspektive und
Ausbildung da. Die Betteltätigkeit erweist sich nun als Boomerang, denn
wie sollen sie ihre verlorene Zeit aufholen? Erwachsene Bettler - deren
Zahl ebenfalls steigt - verdienen bei weitem nicht mehr so gut wie die
mitleidig verhätschelten Bettelkinder. Zwar gibt man ihnen gemäß der is-
lamischen Pflicht zur Armenspende ein Almosen, aber dafür leben sie
auch fortwährend am Rand der Gesellschaft.
Wer also vor den sich hinstreckenden Kinderhänden (verständlicher-
weise) kapituliert, sollte dem Kind wenigstens etwas abkaufen (und sei-
en es nur die gerade frisch gepflückten Blumen) oder sich für eine emp-
fangene Dienstleistung erkenntlich zeigen - auch wenn dies gewiss nicht
die Lösung des Problems ist.
Ungeachtet - oder gerade wegen - dieser „modernen“, besonders in
den Städten auftauchenden gesellschaftlichen Probleme und Verwerfun-
gen steht jedem Türken natürlich das Ideal einer intakten Familie vor Au-
gen, in der traditionell gerade die Kinder die „Krönung“ sind. Von dieser
grundsätzlichen „Kinderausrichtung“ profitiert auch der Reisende, der
mit dem eigenen Nachwuchs unterwegs ist. Stets wird er besonders
freundlich und zuvorkommend behandelt werden.
Eine Frau, die allein mit ihrem Kind reist, hat quasi einen Heiligenschein
um sich. Überall wird sie auf große Rücksichtnahme und Hilfe treffen; vor
„ungehörigen“ Annäherungen ist sie - solange das Kind dabei ist - abso-
lut sicher.
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