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und reagieren dementsprechend souverän. Und es geht ja auch nicht an-
ders: Wer auf jeden Zuruf im Bazar ernsthaft reagieren würde, brauchte
nicht nur Stunden, um wieder heraus zu kommen, er wäre auch von dem
andauernden Gerede über Sachen, die er kaufen soll, unendlich genervt.
Also lächelnd vorbeigehen und sich nichts in die Hand drücken lassen.
Grundsätzlich gilt: Je touristischer ein Ort, desto größer die Wahrschein-
lichkeit, dass das Interesse rein geschäftlicher Natur ist.
Kommen Sie aber ins Landesinnere, zumal in die Dörfer, so vergessen
Sie ihr Misstrauen ruhig wieder schnell. Für die Leute, die sich hier mit Ih-
nen unterhalten wollen, sind Sie der Gast, der Ehre bringt und Schutz ver-
dient. Wenn Sie nicht annehmen, verpassen Sie vielleicht das Beste Ihrer
Reise ...
Wichtig für das konkrete Gesprächsverhalten ist die Situation sowie das
Alter und die Stellung bzw. die Zusammensetzung der Gesprächsteil-
nehmer.
Unter mehr oder weniger Gleichaltrigen ist der Ton locker und herz-
lich, und schnell werden auch persönliche Fragen gestellt; wie alt man ist,
wieviel man in seinem Beruf verdient, ob man verheiratet ist, ob man Kin-
der hat usw.; als ausländischer Gast erweckt man - abseits der Touristen-
gebiete - eben immer noch Neugier, und die Fragen dienen der Orientie-
rung und dem Vergleich mit der eigenen Situation. Die gleichen Fragen
kann man natürlich auch umgekehrt stellen. Ein solch offenes Gesprächs-
verhalten ist deshalb möglich, weil die Gesprächssituation nicht von den
sozialen Wertekategorien ¦eref und Sayg£ (s.o.) definiert wird.
Ganz anders verläuft das Gespräch da, wo Personen unterschiedli-
chen Alters und unterschiedlichen Ansehens (familiäre, soziale Rollen)
miteinander zu tun haben. In einer traditionellen Familie existieren Rollen-
und Verhaltenszwänge, die das Gesprächsverhalten je nach Alter und Sta-
tus der betreffenden Personen bestimmen. So ist z. B. der ältere Bruder für
den jüngeren eine Respektsperson und wird diesem gegenüber auch im
Gespräch entsprechend auftreten, aber sobald der Vater erscheint, wird
sich dieser ältere Bruder ganz anders verhalten, da er nun in der Rolle des-
jenigen ist, der dem Älteren Saygi (Achtung) zu erweisen hat.
Noch stärker und un-individueller kann der Austausch (in einer traditio-
nellen Umgebung) sein, wenn formelle, d. h. öffentliche Gesprächssi-
tuationen entstehen. In dem eingangs dargestellten Beispiel war der muh-
tar, also der Vorsteher des Dorfes, der Einladende. Nicht er selbst sprach
die Einladung aus, sondern er ließ sie uns von seinen am Wagen warten-
den Untergebenen überbringen; diese blieben beim Gespräch in seinem
Büro stehen und brachten den Tee. Seine Körperhaltung hinter seinem
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