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seiner Kultur großes Interesse haben, kurz: Reden Sie am Anfang über al-
les mögliche, aber nicht über Preise!
Vergleichen Sie die Angebote und lassen Sie sich die Unterschiede und
Kriterien der Teppichqualitäten von mehreren Händlern erläutern. Da
wäre zunächst einmal das Material (meist Wolle, seltener die kostbarere
Seide), dann die Knotenzahl (je höher die Dichte, desto wertvoller), des
weiteren die Farben (Pfanzenfarben sind höher einzuschätzen als die che-
m ischen Anillin- oder Chromfarben) und nicht zuletzt die Motivarbeit.
Letztere ist eine schwer einschätzbare Wissenschaft für sich, denn ein
klassischer Teppich wird je nach seinem ursprünglichen Verwendungs-
zweck (z. B. Gebets- oder Hochzeitsteppich) reich an symbolischen Or-
namenten sein. Ein guter Teppichhändler wird Ihnen das Design ausführ-
lich auseinanderlegen können, sodass man zu seinem Teppich eine auch
mythologisch ganz persönliche Beziehung knüpfen kann.
All das, samt der Einladung zum Tee, hat sie bisher zu nichts verpflichtet.
Sie können fünf çay getrunken haben und drei Stunden den wunderbaren
Erläuterungen des Teppichverkäufers gefolgt sein - solange Sie nicht ei-
nen Preis genannt haben, können Sie nun aufstehen und ohne Gesichts-
verlust den Laden wieder verlassen. Nennen Sie aber einen Preis - und sei
es auch nur versuchsweise! - so geht man davon aus, dass Sie sich in das
Feilschen einlassen, und dann erwartet man auch die Bereitschaft zum eh-
renhaften Abschluss. Es gilt als höchst unschicklich, nach Nennung eines
eigenen Preises das Feilschen ohne Einigung abzubrechen (siehe oben).
All das, was Sie vorher bei ihren geduldigen Erkundigungen gelernt und
erfahren haben, sollten Sie im Ernstfall nun einsetzen. Tun Sie wenigstens
so, als ob Sie etwas über Material und Knotenzahl verstünden, streicheln
Sie das Gewebe und drehen Sie den Teppich fachmännisch hin und her.
Im Gegensatz zur obigen Anekdote sollten Sie am Anfang ihr Interesse
an ihrem ausgewählten Teppich eher beiläufig bekunden, ein zweifelndes,
ja leicht unwilliges Mienenspiel aufsetzen.
Das sollten Sie dann aber - nach Eröffnen des Feilschens - in eine
freundliche, geduldige und an die Ehre appellierende Verhandlungstak-
tik umwandeln. Und je länger Sie um ihr persönliches Wunderwerk aus
Tausendundeiner Nacht feilschen werden, um so schönere Geschichten
wird es Ihnen zu Hause erzählen. Und vielleicht steigt Ihnen ja bei Ihrem
persönlichen Feilsch-Erlebnis dann doch noch der alte orientalische Geist
des würdevollen Ehrenhandels aus dem Teeglas ...
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