Travel Reference
In-Depth Information
Kunde. ¦eref produziert also immer der Stärkere, der dem Schwächeren
Gleichheit gewährt. Die erstrebte Gleichheit ist also ein sensibler und va-
riabler Prozess, ein Ideal aller ungleichen Beziehungen.
Damit kommt man zu dem frappierenden Schluss, dass ein unter-
schiedlicher Preis tatsächlich gerecht sein kann, was also genau das Ge-
genteil von dem gängigen Vorurteil ist, dass man beim Feilschen „ über's
Ohr gehauen wird“. Und daraus erklärt sich auch, dass der reiche „Frem-
de“ durchaus mehr zahlen muss als der Einheimische, ohne dass der
Händler deswegen ein schlechtes Gewissen haben wird. Denn zu dem
Einheimischen, dem „Nachbarn“, ist das Verhältnis austariert, es besteht
eine einmal festgestellte Gleichheit, die bei wirklichen Bekannten (Dauer-
kunden) nicht immer wieder neu hergestellt werden muss. Der Fremde
(vor allem der ausländische Fremde) steht per se in einer ungleichen Posi-
tion; man hält ihn für reich, und von Reichen viel zu nehmen, ist - wie
oben erklärt - nichts Unehrenhaftes, im Gegenteil.
Das Gleichheitsverhältnis kann aber auch kippen bzw. unmöglich wer-
den. Kommt der Sultan oder Staatspräsident zum Händler, ist jede Aus-
sicht auf Gleichheit wegen des zu großen Unterschieds von vornherein
blockiert. Der Händler wird akzeptieren, dass ihm ein großzügiger Preis
bewilligt wird, der ihn in einer Position der Schuld und akzeptierten Un-
gleichheit zurücklässt. Ähnlich ungleich steht natürlich der Arme da, dem
der Händler ein Gut als Almosen überlässt, da der Arme überhaupt keine
materielle Basis für potentielle Gleichheit vorweisen kann. In beiden Situa-
tionen wird nicht gehandelt werden, beide - der Händler im ersten Fall,
der Arme im zweiten - werden zu ungleichen „Dienern“, zu Schuldnern,
die sich nicht gleich machen können, sondern zu einseitigem Sayg£ ver-
pflichtet sind. Da wo nicht gefeilscht wird, kann keine ehrenerzeugende
Gleichheit hergestellt werden.
Türkei heute
Soweit die islamisch merkantil-soziale Utopie, die weitgehend noch in
ihren Formen, aber nur noch selten in ihrem Inhalt präsent ist. Denn in der
Türkei heute regiert - von Ausnahmen abgesehen - wie allerorten die so-
zial blinde und angeblich so objektive Ökonomie von Angebot und
Nachfrage. Der Preis der Ware hat fast vollständig den menschlichen
Austauschwert abgestreift, um in der Ungleichheit von Produktionskosten
und Verkaufserlös den Profit zum Maß aller Dinge zu machen. Wir sind
beim bloßen, ach so nackten Geschäft.
Und das ist brutal, wie die meisten Teppichhändler in den Touristen-
zentren selbstkritisch klagen. Der handgewebte Orientteppich (hal£) stellt
Search WWH ::




Custom Search