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Feilschen um die Ehre
Und Allah hat das Verkaufen erlaubt, aber den Wucher verwehrt.
(Der Koran 2. Sure)
Auch dieser Abschnitt hat etwas mit Zeit zu tun. Den türkischen pazar
meint ein jeder schnell als den berühmten orientalischen Bazar zu erken-
nen, auf dem es dementsprechend „zugeht“. Das ist nicht ganz richtig,
denn das türkische Wort für den großen, orientalisch funkelnden Basar ist
çar¥£ (z. B. der überdeckte Basar in Istanbul: kapal£ çar¥£ ), während der pa-
zar der recht praktische Wochenmarkt ist (jeder Ort hat seinen festen Wo-
chentag). Hier werden vor allem Waren des täglichen Bedarfs - Geschirr,
Wäsche, Kleidungsstücke, aber auch Obst und Gemüse - angeboten. Ein
Ort des gestenreichen Feilschens ist das aber nicht, auch wenn man den
Hosenpreis immer schnell und einvernehmlich um ein paar Lira nach un-
ten korrigieren sollte. Der Wochenmarkt bietet in der Regel weder das teu-
re Gut, um das es sich lang zu feilschen lohnte (eine Ausnahme mag mal
eine Lederjacke sein), noch haben die Leute hier genügend Zeit, um die
Kleinigkeit zum Ehrenhandel zu machen. Es gibt ohnehin viele Festpreise,
z. B. bei Obst und Gemüse, und bei der Konkurrenz, den großen Kaufhäu-
sern (wie z. B. Tan ¥ u), ist alles bis auf die letzte Lira exakt ausgezeichnet.
Die meisten Touristen haben eine etwas romantische Vorstellung vom
orientalischen Feilschen (pazarl£k), auf die sich die Händler in den Touris-
tenorten - mit nachsi chtigem Lächeln - längst eingestellt haben. Mit dem
Zehn-Minuten-Deal ist der schnelllebige Europäer dann ebenso zufrieden
wie sein türkisches Gegenüber - mit Feilschen hat das allerdings weniger
zu tun. Das, was im Alltag auf dem Wochenmarkt stattfindet, wird sich
bald kaum mehr viel von dem unterscheiden, was der deutsche Käufer
nach dem Fall des Rabattgesetzes zu Hause exerzieren kann.
Eine Geschichte vom Feilschen
Das einzige Mal, das ich mich selbst wirklich in der Position eines Feil-
schenden gefühlt habe, liegt Jahre zurück. Dass es nicht in der Türkei, son-
dern in Afghanistan war, spielt für unser Thema keine Rolle, denn die Ge-
setze des Feilschens sind hier durchaus ähnlich. Ich hatte mich in eine
wunderschöne Lederjacke „verguckt“, die aber für mein damaliges Rei-
sebudget jenseits aller Begehrlichkeit zu liegen schien. Dass ich sie nach
drei Tagen (!) doch mein eigen nennen konnte, machte sie unter all mei-
nen Jacken für immer zu etwas Besonderem, vielleicht sogar zu etwas
mehr als nur zu einer Jacke.
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