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Aber der Bankdirektor - Studium in den USA -, der in der weitentfern-
ten Hauptstadt Herr über seine Zeit ist, aktiv seinen Terminkalender plant,
um alle seine Ziele rechtzeitig und vollständig zu erreichen, für den Zeit
„Geld“ und wirklich „kostbar“ ist, der hat komischerweise nie Zeit. Mit
Blick auf Armbanduhr und Handy am Ohr (er sagt seinem Kollegen in Is-
tanbul - ein Katzensprung! -, dass er zum Abendessen da sein wird) has-
tet er - immer auf der Linksspur - zum Flughafen, erfährt, dass die Türk-
Hava-Yollar£ -Maschine 60 Minuten später fliegt, und bekommt einen mo-
dernen mittleren Tobsuchtsanfall, da er nun einen Termin aus seinem Ka-
lender streichen muss.
Der Bankdirektor weiß, dass in der Türkei - vor allem im Osten - die
Uhren noch viel zu langsam gehen - so es sie denn überhaupt gibt. „Die
Region ist unterentwickelt. Strukturschwäche. Niemand will dort hin,“ so
konstatiert er achselzuckend. Außer vielleicht unser angereister Bauer, der
staunend vor dem Gewusel, Gerenne, Gehupe und Gehetze der großen
Boulevards kaum die Straße zu überqueren wagt. Die Leute laufen, nein
rennen, die Autos rasen Stoßstange an Stoßstange, dazwischen stürzen
Passanten von Fahrspur zu Fahrspur, um sich - in¥allah - glücklich auf die
andere Seite zu retten. „Das ist also der große Fortschritt unseres großen,
ewigen Vorsitzenden. Allahü ekber (Gott ist größer)“, murmelt der Bauer
und stürzt sich ergeben und vertrauensselig auf den Asphalt. Und dank
der göttlichen Vorsehung und einiger quietschender Bremsen soll er
tatsächlich das andere Ufer erreicht haben.
Was wir auch dem Neuankömmling in Istanbul, Izmir und Ankara wün-
schen. Denn der braucht, wie oben zu sehen, zwei Arten der Geduld: eine
um in diesen Städten über die Straße zu kommen (ja, es gibt bereits Am-
peln, und die meisten Autofahrer halten sich mittlerweilen sogar daran),
und eine um in Ostanatolien das Leben zu genießen . Bei ersterem muss
er sich schnell, bei letzterem langsam bewegen. In der westtürkischen Me-
tropole hat er eben alles, was das Leben so dynamisch und bewegungs-
freudig macht: chaotischen Verkehr, wimmelnde Bazare, vollgepfropfte
Gassen, Lärm, Gestank, Abgase, die Müllidylle eines türkischen Hinterhofs
und dazwischen die dröhnende Stimme des Muezzins.
Aber dafür gibt es hier alles, was das Herz begehrt, und zwar schnell.
Der Zeitaufwand um Geld zu wechseln, ist ebenso minimal wie in Italien
Volkssport Angeln - auf der Galata-Brücke in Istanbul
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