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zuzugreifen (Schmeckt es etwa nicht?), antwortet man mit „doydum“ (ich
bin satt), wobei man bekräftigend und bezeugend die rechte Hand auf die
Brust (Herzgegend) legen mag. Zu dieser entschuldigend-beschwören-
den Geste passt auch gut der von Barbara Wolbert 87) vorgeschlagene Satz
can£m istemiyor (meine Seele kann nicht mehr). Wer denkt, er könne das
Mahl in galanter deutscher Manier beenden, indem er sich lobend über
das Essen äußert und dieses Lob gleichzeitig als Abschluss versteht, wird
die Anstrengungen und Aufforderungen auf ein erneutes Zugreifen noch
verdoppeln. Haben Sie es aber endlich geschafft, ihre(n) Gastgeber davon
zu überzeugen, dass Sie restlos glücklich sind, beenden Sie mit dem laut,
aber höflich vorgebrachten Wunsch ellerinizi sa¤l£k (Ihren Händen Ge-
sundheit) das Mahl, worauf Sie die Antwort afiyet olsun (hier: „zum Wohl“,
sonst im Alltag mit „Guten Appetit“ zu übersetzen) erhalten werden.
Vor dem Essen wäscht man sich die Hände, nach dem Essen spült man
sich kurz den Mund aus (Reinheit).
Wie gesagt: eine solch traditionelle sofra wird in der Regel nur derjeni-
ge erfahren, der sich abseits der tourismusträchtigen Routen mit wenigs-
tens ein paar Brocken Türkisch über die Dörfer schlägt. In den Touristen-
orten wird man den europäischen Gast an einen Tisch bitten, und die obi-
gen Formeln werden sicherlich erfreuen, aber nicht erwartet werden.
Deutsch-türkische Freundschaft
Zum Schluss noch einmal ein paar Bemerkungen zur deutsch-türkischen
Freundschaft. Es mag viele historische Gründe für dieses Phänomen ge-
ben (Aufbauhilfe des deutschen Kaiserreichs mit der Bagdadbahn, Waf-
fenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg, die vielen Gastarbeiterdevisen aus
Deutschland etc.), sie alle erklären kaum die jahrzehntelange Verklärung
der Deutschen, die die Deutschen in der Türkei zu besonders beliebten,
ja geliebten Besuchern machte. Vielleicht liegt es summa summarum dar-
an, dass die Türkei von dem starken verbündeten Deutschland den Zu-
wachs an wirtschaftlichem und politischem ¦ eref erhoffte, den das relativ
arme Schwellenland bei seinem Blick nach Europa brauchte. Die Türken
bewundern ganz allgemein technische, militärische und wirtschaftliche
Stärke, insbesondere wenn sich ein als befreundet eingeschätzter Staat
auch für ihre Zwecke einzusetzen bereit ist.
Diese spezielle, ja fast blinde Vorliebe für die Deutschen hat - so
scheint es mir - in den letzten Jahren etwas nachgelassen. Gründe der
Ernüchterung gibt es für die Türkei genug: Die oft unwürdige oder herab-
lassende Behandlung der Gastarbeiter, die ausländerfeindlichen Mordan-
schläge auf türkische Bürger wie z. B. in Solingen, und nicht zuletzt die
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