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permanent vorhanden ist. Dies ist z. B. der Fall zwischen Patron und Päch-
ter oder Firmenchef und Angestellter; hier herrscht von vornherein eine so
große Ungleichheit ( ¦eref ), dass kein Angestellter auf die Idee käme, die
firmenbedingte Einladung des Chefs erwidern zu müssen; die Anstren-
gung, Gleichheit herstellen zu wollen, wäre völlig aussichtslos.
Eine persönlich akzeptierte Einladung bringt also dem Gastgeber ¦eref ,
denn sie signalisiert, dass der Eingeladene den Einladenden prinzipiell als
gleich ehrenhaft ansieht und entsprechend ehrenvoll (¥erefli) mit ihm um-
gehen wird. Einladungen verschaffen und produzieren folglich kontinuier-
lich ¦eref, und zwar nicht nur unmittelbar im Verhältnis Gastgeber - Gast,
sondern in der gesamten Umgebung des Gastgebers; auch seine Freunde
werden den Eingeladenen immer als etwas Besonderes behandeln. Das
bedeutet, dass die Rolle des Gastgebers auch einen sozialen Pres-
tigegewinn innerhalb der eigenen (Dorf-, Familien-)Gruppe in Gang setzt.
Die Dynamik, immer wieder Gleichheit herzustellen, erweist sich so
quasi als eine fortlaufende Demonstration und Produktion von ¦eref. Wer
andererseits (ökonomisch) nicht in der Lage ist, eine Einladung zu erwi-
dern, also wieder Gleichheit herzustellen, verliert ¦eref, und zwar nicht
nur in seinen eigenen Augen, sondern vor allem in den Augen der ande-
ren. Und es wäre eine Schande, ein sozialer Makel, der Rolle des Gastge-
bers und der Dynamik der Gastfreundschaft nicht gerecht werden zu kön-
nen. Dies ist der Grund, dass eine Familie alles tun wird, um den Gast
zufriedenzustellen; besser ist es einen Monat selbst zu hungern, als sei-
nen Gast ungesättigt aus dem Haus zu lassen.
Und kommen Sie niemals auf die Idee, für eine solche Gastfreund-
schaft Geld anzubieten! Ihr Gastgeber könnte das beleidigende Gefühl
haben, dass Sie seine Gaben als armselig empfunden haben oder aber -
noch schlimmer! - dass Sie ihn als Gastgeber gar nicht akzeptieren, son-
dern ihn auf die Stufe eines Dienstleistenden drücken; eine professionelle
Dienstleistung (Hotelier, Exkursionsleiter etc.) ist eine Sache, Gastfreund-
schaft aber eine andere.
Statt Geld können Sie also nur durch ein Gastgeschenk - falls eine Ge-
geneinladung nicht möglich sein sollte - ihre Ehrerbietung ausdrücken.
Auch hier ist Vorsicht geboten; kommt man mit einem Gastgeschenk da-
her, das so teuer oder kostbar ist, dass der andere es überhaupt nicht er-
widern, also ausgleichen kann, setzt man die ehrenproduzierende Dyna-
mik der Balance von Geben und Nehmen außer Kraft. Sie können so den
anderen - ungewollt - in größte Verlegenheit und eine unausgleichbare
Position der Schuld bringen. Das richtige Maß ist im jeweiligen konkreten
Fall von vielen Faktoren abhängig (Dauer und Umfang der Einladung,
Stand des Gastgebers etc.).
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