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hauses (lokanta) niederzulassen, wo Tee serviert wurde. Fast alle Tische wa-
ren von Männern besetzt, die tavla (das türkische Backgammon) spielten,
sich unterhielten oder einfach ihre Zigaretten rauchten. Die lokanta war
wie der Ort selbst: Es herrschte eine ruhige, fast ein wenig schläfrig wirken-
de Atmosphäre, eine Stimmung von Am-Ende-der-Welt-sein.
Am Tisch neben uns saß ein einzelner älterer Mann, der ruhig und in
sich versunken seine Zigarette rauchte und - zumindest für ostanatolische
Verhältnisse - ansehnlich gekleidet war. Als er mich und meinen Begleiter
Deutsch reden hörte, horchte er auf und mischte sich plötzlich ein, indem
er uns auf Deutsch nach unserem Heimatort fragte. Ich antwortete, es gab
eine kurze Wechselrede, und ich zeigte mich erstaunt über seine guten
Deutschkenntnisse.
Der Mann lächelte und lud uns mit einer einladenden Geste seiner
Hand an seinen Tisch, wobei er direkt beim Kellner (garson) drei weitere
çay bestellte. Er habe jahrelang bei einer deutschen Autofirma gearbeitet,
es sei eine schwere, aber auch schöne Zeit gewesen, und erst vor weni-
gen Monaten sei er mit seiner Familie hierhin in sein Dorf zurückgekehrt.
Er bewundere Deutschland, dort sei alles so gut und ordentlich geregelt,
und natürlich habe er auch gutes Geld und eine ansehnliche Pension ver-
dient. Der Mann war also ein almanc£ (Deutschtürke), wie die heimkom-
menden Gastarbeiter in der Türkei genannt werden. Wir hörten mit Inte-
resse zu, stellten Rückfragen und zeigten uns unsererseits begeistert von
den landschaftlichen und kulturellen Schönheiten Ostanatoliens, dem Eu-
phrat-Tal sowie dem nahe gelegenen I¥ak-Pa¥a-Saray£.
Das Gespräch in der fremden Sprache hatte mittlerweile die Aufmerk-
samkeit der anderen Männer auf sich gezogen. Es kamen laute Fragen von
den Nebentischen, die unser neuer Freund laut und breit zu beantworten
schien. Schließlich traten zwei Männer an unseren Tisch, verbeugten sich
leicht, gaben uns die Hand, um auf eine entsprechende Geste unseres
Gastgebers an den Tisch zu rücken. Wieder wurde Tee serviert und die
Männer boten sich und uns Zigaretten an.
Das Gespräch erging sich über die üblichen Themen: wie es in Deutsch-
land denn mit der Arbeit und Bezahlung aussehe, wie teuer die Autos, die
Mieten, die Lebensmittel usw. seien. Wir fragten umgekehrt nach den Le-
bensbedingungen hier, erfuhren, dass es keine Arbeit gab, dass das Ver-
hältnis zum nahen Nachbarn Iran nicht das beste sei, dass das Leben teuer
und schwierig wäre.
Aber mehr als die freundlich und neugierig durchgesprochenen The-
men ist mir die Veränderung unseres Gastgebers in Erinnerung geblieben.
Er machte die Übersetzungen, dirigierte Fragende und Antwortende,
schob uns immer wieder ins Zentrum des Gesprächs, um das von uns Ge-
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