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nem tellâk (Badediener), als Frau von einem weiblichen Pendant, der
nat£r, bedient. Zunächst wird man mit einem Frottierhandschuh aus Zie-
genhaar (kese) von oben bis unten ein- und abgerieben, eingeseift und
wieder abgespritzt. Zusätzlich gibt es eine Massage, bei der es vielleicht
manchmal knackt, aber - keine Angst! - niemals schmerzlich oder gefähr-
lich wird. All das beseitigt nicht nur die allerletzten abgestorbenen Haut-
partikelchen, es fördert auch den Kreislauf, sodass man sich dann wie ein
neuer Mensch wieder ins Straßengetümmel stürzen kann.
Während der ganzen Prozedur bleibt das nasse Badetuch lose zwischen
den Beinen und um die Hüften gewickelt; kein türkischer Mann pflegt
sich nach seiner Beschneidung jemals nackt zu zeigen. Als vor wenigen
Jahren der Film „Hamam“ , eine italienisch-türkisch-spanische Koprodukti-
on unter der Regie von Ferzan Özpetek, das Thema der Homosexualität
aufnahm - seit osmanischer Zei t kursieren Gerüchte, dass die Badeanstal-
ten mehr als nur der körperlichen Entspannung dienten -, verwahrte sich
der türkische Bäderverein wütend gegen derartige Lästerungen und wies
darauf hin, dass gerade Männer abends das Hamam gezielt und kurz als
Badeanstalt zu nutzen pflegen.
Das stimmt sicherlich, denn im Gegensatz zu den Frauen, die stets in
Gruppen kommen und oft den ganzen Tag im Hamam verbringen, besu-
chen Männer nach der Arbeit das Bad nur für eine relativ kurze Zeit. Auch
kommen sie häufig allein, wollen schweigen und sich von den Mühen des
Tages entspannen.
Dagegen genießen die Frauen den Besuch geradezu als soziales Hap-
pening. Früher, als noch nicht jedes Haus über seine eigene Dusche ver-
fügte, war es durchaus üblich, dass die weibliche Verwandtschaft mit der
Braut vor der Hochzeit (dü¤ün ) einen Tag im Hamam verbrachte, und
ebenso üblich ist und war es, dass Frauenzirkel ihre festen Tage im Bade-
haus haben.
Das Hamam ist so einer der wenigen Orte im männlichen „Außenbe-
reich“, der für Frauen einen legitimen Treffpunkt darstellt; man genießt
nicht nur das gegenseitige Einseifen und Pflegen, sondern lacht, tratscht,
witzelt und wettert (z. B. über Männer), was das Zeug hält. Europäische
Besucherinnen können sicher sein, die anteilnehmende und inspizierende
Neugierde der versammelten Weiblichkeit auf sich zu ziehen. Eine Freun-
din, die vor Jahren mit einer marokkanischen Bekannten das Bad aufsuch-
te, war Tage danach noch begeistert von der Offenheit und Freundlichkeit
der Frauen; nie sei sie so gründlich abgeschrubbt und ausgefragt worden.
Offensichtliche Verwunderung hätten vor allem ihre Achselhaare hervor-
gerufen; ob sie sich denn nicht enthaaren würde, war die immer wieder
mit Erstaunen gestellte Frage.
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