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menschlich und sozial starken Werte mitimportiert - also stadtuntypische,
nämlich vorindividuelle Werte -, verhindert jene moderne Amerikanisie-
rung, die in Form von Armutsindividualisierung und Kriminalität alle Groß-
städte dieser Welt bedroht.
Auf der Istiklal Caddesi im Istanbuler Stadtteil Beyo ¤ lu ist für Turgut und
alle „Westler“ die „schöne, neue Welt“ der Stadt Wirklichkeit und Vor-
bild geworden. In der verkehrsberuhigten und gepflegten Hauptstraße
dreht sich alles um die überbordende, nur ein wenig Geld erfordernde
Konsumherrlichkeit des Westens: Schicke Boutiquen bieten Levi's, Wrang-
ler und andere Lifestyle-Accessoires, italienische Mode lockt kosmopo-
litisch Frau und Mann, amerikanisierte Fast-Food-Neon-Tempel werden
von Schwärmen begeisterter Jugendlicher besucht, während sich die älte-
ren „Bürger“ im romantisiert-gepflegten Ambiente der Restaurants in der
Çiçek Pasaji einen gediegenen (und recht teuren) Abend erlauben. Junge
Pärchen gehen Hand in Hand, ohne kaum mehr Aufsehen zu erregen als
auf der Via Veneto in Rom oder den Champs-Elysées in Paris, träumen von
der Ein- oder Zwei-Kind-Familie mit inklusive etwas Selbstverwirklichung
und materiellem Wohlstand. Auf dieser Straße glänzt der Westen, die un-
ablässigen Ströme der Promenierenden sind der Beweis für seine Schön-
heit - und wer wollte es Jugendlichen schon verdenken, dass sie sich be-
geistert von den Nike und anderen Fetischen im sorgsam drapierten
Schaufenster überzeugen lassen.
Am nordöstlichen Ende der Prachtstraße liegt der großzügig angelegte
Taksim-Platz mit dem am gleichnamigen Park gelegenen Sheraton Hotel,
sozusagen das städtische Synonym für die westliche Ausrichtung Istan-
buls. Dass ausgerechnet hier - ginge es nach dem Willen der Islamisten -
eine Moschee errichtet werden soll und dass seit Jahren darum gerungen
wird, zeigt gleichsam d ie Stoßrichtung der religiösen Offensive, die insbe-
sondere auch die symbolträchtigen Orte der „Gegenseite“ für sich er-
obern will.
Man braucht nicht in die peripheren Stadtteile wie z. B. Sirinevler zu fah-
ren, um die andere Türkei zu sehen. Mitten in der Altstadt, nur wenige
Schritte westlich vom Touristenzentrum Sultanahmet, lohnen im Gassen-
gewirr nördlich von der Küçük Aya Sofia die letzten Holzhäuser des alten
Istanbul einen Besuch. Vor den meist unverschlossenen Haustüren der
fast verfallen wirkenden „Hütten“ machen Kinder die Straße zum lärmen-
den Spielplatz; bäuerlich, mindestens aber einfach gekleidete Frauen mit
offenen, „erdig“ wirkenden Gesichtern kontrollieren vom wäscheum-
hängten Fenster aus das Geschehen, mustern heimlich den in ihren Bezirk
eindringenden fremden männlichen Besucher, dessen weiblicher Beglei-
tung offen freundliche und neugierige Blicke zugeworfen werden. Die
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