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se vorangestellt werden: Der Westtürke ist hinsichtlich seiner kulturellen
Identität von München, Paris oder New York ungleich weniger weit ent-
fernt als z. B. von Do ¤ ubayazit in der Osttürkei (Ostanatolien) oder dem
nur wenige hundert Meter von seiner Stadtwohnung gelegenen Geçekon-
du (was - wie wir unten sehen werden - in gewisser Weise ein nach Wes-
ten gewandertes Anatolien ist).
Der in dieser Behauptung enthaltene fundamentale Identitätsbruch der
heutigen Tü rkei - und um einen solchen handelt es sich - lässt sich an-
hand von vier Gegensatzkategorien aufarbeiten: nämlich hinsichtlich der
geografischen (Ost vs. West), der sozialen (Land vs. Stadt), der kulturtypi-
schen (Asien vs. Europa) und der zeitlichen (Vergangenheit vs. Moderne)
Struktur. Diese Kategorien sind selbstverständlich nicht unabhängig von-
einander, ja sie überlappen und bedingen einander geradezu. Mit ihrer
Hilfe sollen wesentliche Parallelitäten aufgezeigt und eine grundsätzliche
Einordnung der türkischen Identitätsproblematik möglich werden.
Geografischer Gegensatz von Ost und West
Kommen wir zunächst zur geografischen Unterscheidung von Ost und
West. Ein Blick auf das Relief der Türkei erlaubt schnell, die allgemein an-
erkannte Einteilung des Landes in sieben Hauptregionen nachzuvollzie-
hen: Es sind dies (von West nach Ost) die Marmara-Region, die Agäische
Küstenregion, die Pontische Küstenregion, die Taurische Küstenregion,
Zentralanatolien, Ostanatolien und Südostanatolien (siehe Überblickskar-
te Türkei im Anhang). Von diesen sieben Gebieten weisen sich die ersten
vier als maritime Regionen aus, die drei letztgenannten sind durch hohe
Bergzüge durchzogene oder abgetrennte Binnenlandschaften.
Dass Küstengebiete in der Regel einen viel höheren Verkehrsgrad als
das schwer zugängliche Landesinnere aufweisen und folglich auf ökono-
mischem, militärischem und kulturellem Feld geografische Zentren der
Begegnung sind, liegt auf der Hand (und wird u. a. durch die griechische
Kolonisation, die nur in diesen Gebieten stattfand, unterstrichen).
Unter den vier oben genannten maritimen Gebieten fällt eine besonders
auf: die Marmara-Region, die geografisch eine Schlüsselposition zwi-
schen dem Schwarzen Meer (Kara Deniz) und dem Ägäischen Meer ( Ak
Deniz - Weißes Meer) darstellt. Dass die Meerengen der Dardanellen und
des Bosporus als natürliche Kanäle und Verkehrswege geradezu die Anla-
ge einer Hauptstadt provozi erten (Byzanz-Konstantinopel-Istanbul) und
dass an diesem Nadelöhr folglich die Interessen aller beteiligten histori-
schen Mächte immer wieder zusammen- und aufeinanderstießen, ver-
steht sich ebenfalls von selbst.
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