Travel Reference
In-Depth Information
Zugehörigkeit zu mehreren Ländern und ihrer internen Zerrissenheit auch
heute kaum Aussicht, jemals ein souveränes und geeintes Gemeinwesen
zu werden.
Diese realistische Prognose bedeutet, dass die Kurden in den jeweiligen
Ländern eher mit dem Konzept einer autonomen Integration denn voll-
ständiger Loslösung weiterkommen werden - wenn die andere Seite ih-
nen entgegenkommt. Das gilt auch für die anatolischen Kurden: 37.000
Todesopfer seit 1984, 3000 zerstörte Kurdendörfer sowie mindestens
2 Millionen Vertriebene dokumentieren, dass die Türkei auf Dauer mit
ihrem pluralismusfeindlichen und unflexiblen Nationalismusprinzip das
Problem nicht wird lösen können.
Die von der Europäischen Union, aber auch unabhängigen Organisa-
tionen wie amnesty international kritisierten Menschenrechtsverletzun-
gen - willkürliche Verhaftungen, Folter, politische Morde - gehen zu ei-
nem großen Teil auf das Konto der repressiv ausgerichteten Kurdenpolitik.
Dass unter den politischen Opfern auch traditionell linksengagierte und
islamistische Persönlichkeiten (Gewerkschaftler, Schriftsteller, Politiker) zu
finden sind, unterstreicht die doppelte Frontstellung des starren Kemalis-
mus, der sich rechts wie links bedroht sieht. In diesem Zusammenhang
muss auch die in unterschiedlicher Deutlichkeit vorgetragene Aufforde-
rung an die Türkei erwähnt werden, offiziell Verantwortung für die
1915/1917 durchgeführten Massaker an den Armeniern zu übernehmen.
Die europäische Union hat die Anerkennung dieser Massaker als Genozid
(Völkermord) eng mit der Frage des Beitritts der Türkei zur europäischen
Union verbunden.
Der Kemalismus gerät aber auch im Inneren durch türkische Menschen-
rechtsorganisationen (die größte ist der Menschenrechtsverein IHD - In-
san Haklar£ Derne¤i ) immer mehr unter Druck. Dies und die Hoffnung ei-
nes baldigen EU-Beitritts haben dazu geführt, dass die Türkei die Verlet-
zung von Menschenrechten - insbesondere die in Gefängnissen prakti-
zierten Misshandlungen - durch die Veröffentlichung eines vom Parla-
ment akzeptierten Buches über Folterungen eingestanden und einige
neue Gesetze verabschiedet hat (u. a. höhere Strafen für Folterer sowie
medizinisches Personal, das die Misshandlungen deckt). 32)
Auch auf ökonomischer Ebene versucht die Regierung, die traditionell
unterentwickelte und durch den Guerilla-Krieg verwüstete südostanatoli-
sche Region zu befrieden. Da ist zunächst vor allem das berühmte GAP-
Projekt (Güneydo¤u Anadolu Projesi) zu erwähnen, ein gigantisches Stau-
dammprojekt, das die Region in einen Garten Eden verwandeln soll. Bis
2011 sollen insgesamt 22 Staudämme die Wasser von Euphrat und Tigris
nichtnur für die Bewässerungder Landwirtschaft,sondernauch für die En-
Search WWH ::




Custom Search