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Eine schrecklich nette Familie
Am 19. Oktober 1469 heirateten Fernan-
do II., König von Aragón, und Isabel I.,
Königin von Kastilien. Zwei große Herr-
schaftshäuser wurden damit vereint und
dies wird gemeinhin als Geburtsstunde
Spaniens angesehen. Die beiden Herr-
scher gingen in die spanische Geschichts-
schreibung als die „katholischen Könige“
ein, weil sie den christlichen Glauben
verteidigten und verbreiteten. So erober-
ten sie Granada und damit die letzte Fes-
tung der Mauren auf spanischem Boden,
vertrieben wenig später die Juden und lie-
ßen auch in den neu entdeckten Kolonien
die Seelen der dort lebenden Stämme für
den christlichen Glauben „retten“.
Eines ihrer Kinder, Juana I. von Kasti-
lien, heiratete im Jahr 1496 Felipe I. und
als 1504 ihre Mutter starb, erbte Juana
den Königsstuhl von Kastilien. Soweit war
alles klar, aber nun begannen die Schwie-
rigkeiten. 1506 starb Juanas Mann Feli-
pe, wobei es Gerüchte gibt, dass er vergif-
tet worden sei. Juana, die schon seit ihrer
Kindheit als „verschlossen und ernsthaft“
beschrieben worden war, zeigte nach dem
Tod ihres Mannes erste depressive Züge.
So soll sie monatelang mit dem Sarg ih-
res Mannes durch die Lande gezogen sein,
was aber nicht eindeutig belegt ist. Auf
jeden Fall kam sie in den Ruf, verrückt
geworden zu sein, und wird bis heute in
Spanien als „Juana, la Loca“ („Juana, die
Verrückte“) bezeichnet. Der Königsstuhl
von Kastilien war derweil verwaist und
wurde 1507 Juanas Vater, Fernando II.,
angeboten, der bis zu seinem Tod im Jahr
1516 König von Kastilien blieb.
Juana hatte einen Sohn, Carlos I., der
mit 16 Jahren, nachdem sein Großvater
(Fernando) verstorben war, König von
Aragón und 1518 auch König von Kas-
tilien wurde. Seine Mutter, Juana, lebte
damals noch, galt aber weiterhin als ver-
rückt und war schon 1509 von ihrem Va-
ter in ein Kloster eingesperrt worden, statt
auf dem Königsthron zu sitzen. Mancher
Historiker vermutet hier eine Verschwö-
rung, was aber zu beweisen wäre. Jua-
na verblieb jedenfalls bis zu ihrem Tod im
Jahr 1555 insgesamt 46 Jahre lang einge-
sperrt im Kloster. Ihr Sohn Carlos I. über-
nahm nicht nur den Königsthron in Spa-
nien, sondern wurde auch aufgrund ver-
schlungener Erbwege Kaiser von Deutsch-
land. Es wird berichtet, auch Carlos habe
einen introvertierten Charakter gehabt. Er
soll starrsinnig und lethargisch gewesen
sein. 1556 dankte er ab und zog sich in ein
Kloster zurück, wo er zwei Jahre später
starb. Den spanischen Thron übernahm
sein Sohn Felipe II., der in Spanien „der
düstere König“ genannt wird. Er soll leicht
depressiv gewesen sein, ein Kontrollfanati-
ker, der wenig Lebensfreude besaß. Es war
eben jener Felipe, der den El Escorial in der
bergigen Einöde bauen ließ und dort stän-
dig die Bauarbeiten überwachte. 1598 ver-
starb Felipe im Escorial. Sein Sohn, Felipe
III., hatte wahrscheinlich zunächst einmal
genug von den grauen Mauern des Escori-
al und verlegte den Thron kurzzeitig nach
Valladolid. Sowieso war er eher an den
schönen Künsten interessiert, als am Re-
gieren. Die depressive Phase der Königs-
familie fand ein Ende.
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