Travel Reference
In-Depth Information
La movida madrileña
In den 1980er-Jahren war in der spani-
schen Hauptstadt eine wahre Explosion
der Lebensfreude zu spüren. Der Dik-
tator Franco war seit 1975 tot und die
Strukturen eines konservativen und ka-
tholisch geprägten Spaniens wirkten zwar
zunächst noch nach, aber es bröckelte be-
reits überall und ganz besonders in Ma-
drid.
Die Stadt war schon immer für ihr
Nachtleben berühmt gewesen und nun
schien es, als ob man etwas nachzuholen
hätte. Der Deckel flog sozusagen buchstäb-
lich vom Kochtopf, die „movida madrile-
ña“ (die „Madrider Bewegung“) war ge-
boren! Neue Bars entstanden und sie wa-
ren schrill, bunt und laut - Rock, Pop,
Punk, Heavy Metal - egal, Hauptsache
„anders“.
Es wurde ständig gefeiert, Drogen gab
es reichlich, Sex war auch im erzkatholi-
schen Spanien plötzlich „möglich“ und die
Nacht wurde ständig zum Tag gemacht,
ganz besonders in Malasaña Ñ . Dort
schossen die kreativen Musikbars aus der
Erde wie Pilze nach dem Regen.
Gefördert wurde diese Dauerparty aus-
gerechnet von einem Politiker, dem Bür-
germeister Enrique Tierno Galván, der
ein Anti-Franquist war und nur „der klei-
ne Professor“ genannt wurde. Madrid
wurde liberal, was so manchen Älteren
und viele Eltern überforderte, aber wenn
schon der Bürgermeister mitmacht ...
Es wurde aber in Madrid nicht nur
gefeiert und getrunken, auch die vielen
Künstler, Designer, Musiker und Fil-
memacher konnten ihre Kreativität nun
endlich ausleben. Alles ging, alles war
möglich. Einer der Protagonisten dieser
Zeit war der Regisseur Pedro Almodóvar.
Ihn verschlug es aus einem kleinen Nest in
der trockenen Mancha nach Madrid, also
genau aus dieser trockenen vergessenen
Ecke, in der einst Don Quichotte die Wind-
mühlen bekämpfte.
Almodóvar experimentierte zunächst
mit Super-8-Filmen, arbeitete aber tags-
über brav als Angestellter einer Telefon-
gesellschaft. 1980 kam sein Durchbruch
mit dem Film „Pepi, Luci, Bom y otras chi-
cas del Montón“ (etwa: „Pepi, Luci, Bom
und die anderen Mädchen der Meute“),
mit dem der „movida“ ein Denkmal ge-
setzt wurde. Im Jahr 2000 gewann Pedro
Almodóvar für seinen Film „Todo sobre
mi madre“ („Alles über meine Mutter“)
sogar den Oscar, die renommierteste Aus-
zeichnung, die ein Filmschaffender erhal-
ten kann. Weitere bekannte Protagonis-
ten dieser Zeit, die zumindest die etwas äl-
teren Madrilenen ganz sicher noch ken-
nen, waren Musiker wie Alaska und die
Bands Radio Futura und Nacha Pop.
Die „movida“ hielt bis etwa 1991 an,
dann wurde ein neuer Bürgermeister
von der konservativen Partido Popular
(„Volkspartei“) gewählt und dieser zog
die Zügel straffer an. Joints zu rauchen
war auf einmal ein Delikt (vorher nicht)
und so langsam verblühte die „movida“.
In Madrid finden sich aber auch heu-
te noch vereinzelt „Überlebende“ die-
ser Zeit, so beispielsweise die Bar La
Vía Lactea (s. S. 49) oder auch das Café
La Palma (s. S. 51).
Search WWH ::




Custom Search