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Stuttgart 21
ziert, die einfach nur dagegen sei-
en. Die Bahnhofsgegner selbst fan-
den ihren Widerstand berechtigt und
tauften sich in kreativer Wortschöp-
fung in „Mutbürger“ um. Die Gegen-
seite mit ihrer Schönrechnerei und
scheibchenweisen Kommunikation
wurden als „LGNPCK“ (Lügenpack)
beschimpft. Bürger und Bahn, Stadt
und Medien stritten, ob Stuttgart 21
eine städtebauliche „Jahrhundert-
chance“ biete oder doch ein „Milliar-
dengrab“ sei.
Die milieuübergreifende Zusam-
mensetzung der Protestbewegung,
die sich durch alle Schichten und
politischen Lager zog, machte sie
für die Politik so bedrohlich. Spießer
und Spontis seien zum Gesamtkunst-
werk Schwabe verschmolzen, läster-
te die SZ aus München. Die Protes-
te wurden mit unterschiedlichsten
Mitteln ausgetragen: Am legendä-
ren Bauzaun (der inzwischen schon
Eine solch aufmüpfige Bürgerschaft
hätte dem braven „Ländle“ eigentlich
niemand zugetraut. Der Konflikt um
den Stuttgarter Hauptbahnhof wur-
de anfangs nur als lokale Streiterei
abgetan. Doch dann entwickelte sich
der Protest zur bundesweit beachte-
ten Auseinandersetzung und setz-
te Grundsatzdiskussionen um Bür-
gerbeteiligung bei Großprojekten in
Gang.
Begonnen wurde inzwischen mit
dem kompletten Umbau des Bahn-
hofsareals und der Modernisierung
des Streckenknotenpunkts  - der
alte oberirdische Kopfbahnhof wird
zum unterirdischen Durchgangsbahn-
hof, die Gleisanlagen um 90 Grad ge-
dreht. Der alte Bonatz-Bau wird zwar
integriert, bleibt aber nur zum Teil er-
halten, seine Seitenflügel fielen dem
Umbau schon zum Opfer. Das begeh-
bare Dach des neuen Tiefbahnhofs
soll den Straßburger Platz mit dem
Schlossgarten verbinden, für die Bau-
arbeiten mussten allerdings mehr als
250 Bäume weichen, die unter Poli-
zeieinsatz schon gefällt oder versetzt
wurden. Das Projekt wird die Stadt
nicht nur auf Jahre hinaus zu einer
der größten Baustellen Europas ma-
chen - mit allen Unannehmlichkeiten
wie Baustellenlärm, Umleitungen,
Baustellenverkehr und Chaos im öf-
fentlichen Nah- und Fernverkehr, son-
dern das Vorhaben warf auch schwer-
wiegendere Fragen auf: Auch nach
der Volksabstimmung im November
2011 halten viele sie für zu teuer,
technisch zu riskant (Gefährdung der
Mineralwasservorkommen) und zu
sehr von Immobilienspekulanten vor-
angetrieben (Rosensteinviertel).
Alle Neinsager wurden in den Me-
dien gerne als „Wutbürger“ denun-
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