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zierungen und Fresken schmückten die
riesigen Räume und Gänge. Als absolu-
ter Höhepunkt ist der oktagonale (acht-
eckige) Saal anzusehen. Der Grundriss
war damals eine Neuheit. Zeitgenossen
Neros berichteten von einem Speisesaal,
der mit einem Mechanismus ausgestat-
tet war, der es ermöglichte, ihn um sei-
ne eigene Achse zu drehen. Die Archäo-
logen haben jedoch in dem oktagonalen
Raum keine Hinweise auf eine derartige
Einrichtung gefunden.
Bereits im späten 15. Jahrhundert wur-
de die Domus Aurea wiederentdeckt. Da
die mächtigen Räume mit Erde zuge-
schüttet waren und nur der obere Teil
durch die Deckenlichter zugänglich war,
wurden die entdeckten Räume als Grot-
ten bezeichnet. Schnell verbreitete sich
im Europa der Renaissance die Kunde
von der Entdeckung der Grotten mit ih-
ren wunderschönen Malereien. Die be-
rühmtesten Maler der Zeit pilgerten zur
Domus Aurea: Raffael, Pinturicchio, Gio-
Archäologie und Politik
Italien steckt in einer Krise. Die chroni-
sche Staatsverschuldung lässt befürchten,
dass es Italien ähnlich wie Griechenland
ergehen könnte. Die zunehmende Auslän-
derproblematik und die Umtriebe der Ma-
fia, die dem Land keine Ruhe gönnen, sor-
gen für eine gedrückte Stimmung inner-
halb der Bevölkerung.
In solchen Krisenzeiten wirkt eine Er-
innerung an die große römische Vergan-
genheit des Landes sehr wohltuend. So ist
es denn vielleicht auch kein Zufall, dass
Ende 2007 der Chefausgräber auf dem rö-
mischen Palatinhügel, der Archäologe An-
drea Carrandini, voller Stolz und recht
medienwirksam die Entdeckung der
Kulthöhle „Lupercale“ verkündete. Ent-
deckt wurde das Gewölbe in 16 m Tiefe, di-
rekt unter dem Palast des Augustus, des
ersten Kaisers des Römischen Reichs.
Die Höhle war in altrömischer Zeit eine
bedeutende Kultstätte, die als „Kinder-
stube“ von Romulus und Remus verehrt
wurde. Hier sollen die Zwillinge angeb-
lich von der Wölfin gesäugt worden sein.
Im alten Rom wurde jedes Jahr vor der
Grotte ein Fest gefeiert, auf dessen Höhe-
punkt ein Ziegenbock geschlachtet wurde.
Mit den blutigen Hautlappen des getöte-
ten Tieres wurden die anwesenden Frau-
en geschlagen - dadurch sollten sie rein
und fruchtbar werden. Der italienische
Kulturminister und ehemalige Oberbür-
germeister Roms, Francesco Rutelli, ver-
kündete stolz: „Es ist unglaublich, dass ein
Mythos plötzlich zu einem realen Ort ge-
worden ist.“
Schon bald häuften sich aber Zweifel an
der „großartigsten Entdeckung, die jemals
gemacht wurde.“ Der Leiter des Deut-
schen Archäologischen Instituts in Rom
etwa hält die Entdeckung eher für einen
Speiseraum aus der römischen Kaiser-
zeit. Andere Historiker schlossen sich der
Meinung des Deutschen an. Der Ausgrä-
ber Carrandini aber wischt solche Beden-
ken vom Tisch, eine Haltung, für die ihn
die römische Bevölkerung geradezu ver-
ehrt. Schließlich sorgt der renommierte
Archäologe dafür, dass sich die Bewohner
der italienischen Hauptstadt ihrer großen
Vergangenheit gewiss sein können.
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