Travel Reference
In-Depth Information
Ein Lederwarenfabrikant rettet das Kolosseum
Das einst größte Amphitheater der Welt
ist schon seit Jahren von der Umweltver-
schmutzung in Rom bedroht. Die eigent-
lich weiße Fassade des Kolosseums ist
mittlerweile rußgeschwärzt und vom Ein-
sturz bedroht. Auch die starken Regen-
fälle der vergangenen Jahre und die im-
mer zahlreicher werdenden Touristen ha-
ben dem Gebäude schwer zugesetzt - kurz-
um: Die Arena müsste dringend renoviert
werden.
Geld ist aber keines da. Seit Jahren drü-
cken sich alle Regierungen, egal ob links
oder rechts, vor den dringend notwen-
digen Maßnahmen zum Erhalt des fast
2000 Jahre alten Amphitheaters. Der bis
2011 amtierenden Mitte-Rechts-Regie-
rung Berlusconi lag Kultur grundsätzlich
nicht gerade am Herzen. Unter Finanz-
minister Giulio Tremonti wurden, gegen
den Protest zahlreicher Intellektueller, die
Zuschüsse für Theater- und Opernhäuser
brutal gekürzt. Der Staat zieht sich immer
mehr aus seiner Verantwortung für die
Erhaltung der zahlreichen Kulturdenk-
mäler des Landes zurück und begibt sich
neuerdings auf die Suche nach privaten
Sponsoren.
So wurde Anfang 2011 eine Touristen-
steuer eingeführt - die sogenannte Betten-
steuer sieht vor, dass jeder Tourist zwei
Euro pro Nacht bezahlen muss - und
auch die Touristenbusse und die Museen
haben ihre Preise erhöht. Mehr als 80 Mil-
lionen Euro sollen so jährlich in die Stadt-
kasse fließen. Angesichts eines gewaltigen
kommunalen Schuldenberges kann das
aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein
sein - die Renovierung des Kolosseums je-
denfalls war von diesen Mehreinnahmen
nicht zu bezahlen.
Die geplante Sanierung des Kolosseums
war die erste derartige Ausschreibung, die
das Kulturministerium je veranlasst hat-
te - und sie war vorerst erfolgreich. Ende
Juni 2011 verkündete der italienische Le-
derwarenhersteller TOD'S, der vor allem
für seine teuren Taschen und Mokassins
weltweit bekannt ist, mit rund 25 Millio-
nen Euro den größten Anteil der zu erwar-
tenden Kosten zu übernehmen. Es schien,
als wären alle Beteiligten zufrieden: Der
Staat, das Unternehmen und die Bürger
Roms. Aber weit gefehlt, plötzlich mach-
te sich doch der eine oder andere Politiker
Gedanken, ob es denn nicht unbeabsich-
tigte Folgen haben könne, wenn ein Pri-
vatunternehmen Italiens berühmteste Ru-
ine renovieren ließe. Die Vorstellung, der
Schuhfabrikant, dem übrigens auch der
italienische Erstligist AC Florenz gehört,
könne während der Bauarbeiten das Ko-
losseum mit einem riesigen Werbebanner
verhängen, gefiel auch den Bürgern Roms
nicht. Italienische Behörden nahmen Er-
mittlungen auf, ob es sich bei den 25 Mil-
lionen Euro um Sponsoring oder eine In-
vestition handle und somit unzulässig sei.
Der Chef von TOD's, Diego della Valle,
kündigte empört seinen Rückzug an. Fast
schien es schon so, als sei das Projekt ge-
scheitert. Dann kam es aber im Februar
2012 doch noch zu einer Einigung. Wäh-
rend der Renovierung darf TOD'S keine
Werbebanner an der berühmten Ruine
anbringen, dafür darf das Unternehmen
aber 15 Jahre lang mit dem Logo des Ko-
losseums seine Produkte bewerben.
Search WWH ::




Custom Search