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nen, schließlich ist der Vatikan ein auto-
nomer Staat, sind immer ein Thema in
der Stadt. Ca. 835 Einwohner und mehr
als 3000 Angestellte zählt der Vatikan-
staat (s. S. 160).
Eine weitere geschlossene Gesell-
schaft bilden die meist gut betuchten ad-
ligen Abkömmlinge des Kirchenstaats.
Die Familiennamen vieler Päpste, ob
es nun die Orsini, Borghese oder Torlo-
nia sind, finden sich allesamt im römi-
schen Telefonbuch. Sie sind allgemein
bekannt für ihre erlesenen Feste, die sie
gerne in ihren prächtigen Häusern veran-
stalten. Nur sehr schwer findet man Zu-
gang zu den Kreisen der „besseren Ge-
sellschaft“, dem Adel, dem Klerus, dem
alten Bürgertum und den Politikern - die
oberen Zehntausend der italienischen
Hauptstadt bleiben gerne unter sich.
Die römische Mittelschicht wird ge-
prägt von der Kaste der Bürokraten, eine
relativ homogene soziale Gruppe, die
sich vor allem während des Faschismus
etabliert hat. Von 1925 bis 1943 verdop-
pelte sich die Einwohnerzahl Roms von
700.000 auf 1,5 Millionen. Dieses star-
ke Bevölkerungswachstum war vor allem
eine Folge des gigantischen Ausbaus der
Bürokratie, die einen enormen Personal-
bedarf hatte. Bis heute sind die Folgen
dieser Entwicklung spürbar. Der aufge-
blähte Verwaltungsapparat verschlingt
etwa die Hälfte aller öffentlichen Einnah-
men. Nicht wenige Römer wären ohne
dieses „Beschäftigungsprogramm“ ar-
beitslos. Mussolinis Beamte prägten die
Stadt vor allem in den Nachkriegsjahren.
Viele von ihnen hielten der postfaschis-
tischen MSI, die sich heute zur Alleanza
Nazionale reformiert hat, die Treue und
trugen dazu bei, dass Rom nach dem
2. Weltkrieg zu einer Hochburg des italie-
nischen Neofaschismus wurde.
Und dann gibt es natürlich das Rom
der einfachen Leute: Die stammen meis-
tens aus Süditalien und haben mit ihrer
Mentalität die Stadt in den letzten 100
Jahren geprägt. Der einfache, laute und
herzliche Römer auf der Straße hat oft
süditalienische Vorfahren.
Rom hat also Erfahrung mit Zuwande-
rern. Schon die katholische Kirche hat
immer wieder Einwanderer angezogen.
Alle wichtigen Künstler, die in Rom für
die Päpste gearbeitet haben (Michelan-
gelo, Bernini, Raffael) kamen aus ande-
ren Gegenden Italiens. Heute kommen
die Einwanderer meistens aus Afrika,
leben illegal in den überbelegten Billig-
pensionen rund um den Hauptbahnhof
und suchen ihr Auskommen mit Gelegen-
heitsarbeiten. Auf der Straße wird man
keinen Rassismus spüren, die Römer
begegnen den Fremden freundlich und
aufgeschlossen. Wer allerdings am Wo-
chenende ins Fußballstadion geht, um
sich ein Heimspiel von Lazio Rom anzu-
sehen, wird fassungslos über die rassis-
tischen und faschistischen Äußerungen
und Gesten von Spielern und Fans sein.
Zu zweifelhafter Berühmtheit gelang-
te etwa der römische Rechtsverteidiger
di Canio, der gerne vor dem Anpfiff sei-
ne Anhänger mit dem erhobenen rech-
ten Arm grüßt. Die wollen nicht nachste-
hen und entrollen zuweilen Plakate mit
antisemitischen Sprüchen. Viele Römer
nehmen wegen derartiger Szenen, die in
einer kosmopolitischen Stadt wie Rom
besonders absurd sind, mittlerweile Ab-
stand von einem Besuch des Stadions.
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