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Massagen am Strand - ein Tag in Ostia
In der Antike war Ostia der Hafen von
Rom, ein multikultureller Mikrokosmos,
in dem alle die Völker vertreten waren,
die dem römischen Weltreich angehörten:
Ägypter, Syrer, Germanen, Griechen etc.
Vor 2000 Jahren zählte die laute und le-
benslustige Hafenstadt 50.000 Einwohner.
Das moderne Ostia des 21. Jahrhunderts
dient den Römern als Ausflugsziel: eine
Trabantensiedlung am Rand der itali-
enischen Hauptstadt, mit langen Sand-
stränden und guten Fischrestaurants. Mul-
tikulturell ist der Ort auch heute noch. Hier
trifft man auf die typisch italienische Aus-
länderproblematik der illegalen Immi-
gration.
Lassen Sie uns einen Spaziergang durch
Ostia unternehmen. Wir beginnen mor-
gens auf dem Weg zu einer Bar. Auf der
Via delle Baleniere, der schicken Einkaufs-
straße Ostias, sitzen überall Schwarzafri-
kaner, die auf ausgebreiteten farbigen Tü-
chern alle in den letzten Monaten erschie-
nenen CDs als Raubkopien zum Spottpreis
von fünf Euro anbieten. Neben den CDs
stapeln sich Handtaschen von Gucci und
Prada für jeweils 100 Euro. Dass sie bei die-
sem Preis nicht echt sein kann, liegt auf der
Hand. Nutznießerin des Geschäfts ist die
italienische Mafia, die auch in Süditalien
Produktionsstätten für gefälschte Marken-
produkte unterhält. Als sich ein Fahrzeug
der Carabinieri nähert, packen die Händ-
ler eilig ihre Tücher mitsamt der Ware zu-
sammen und sind in Sekundenschnelle in
den Nebenstraßen verschwunden. Einen
erwischen die Staatsdiener noch, nach der
Aufnahme seiner Personalien kann der
Mann wieder gehen.
Weiter gehts zum Strand. Der gelbe Bus
der Linie 61 ist schon überfüllt. Kein ein-
ziger Fahrgast scheint Italiener zu sein.
Einer packt eine Ziehharmonika aus und
spielt ein Zigeunerlied. Der Bus hält am
Paradise Beach. Zuerst steigen einige Inder
aus. In ihren zusammengerollten Stroh-
matten verbergen sie ihre Ware - Son-
nenhüte und -brillen, Bikinis, Shorts und
Wasserpistolen -, die sie gleich ihrer itali-
enischen Kundschaft am Strand anbieten
werden. Im nächsten Bus kommen Men-
schen asiatischer Herkunft. „Viele sind
spezialisiert auf Massagen, spottbillig!“
sagt der italienische Kellner im Strandres-
taurant „Ar Zagaja“. Und wirklich: Die
Vietnamesin Lu Yi nimmt für eine Ganz-
körpermassage 20 Euro. Sie bearbeitet ge-
rade den Rücken von Olimpia, einer Ru-
mänin, die früher als Putzfrau in den Vil-
len der Reichen gearbeitet hat. Jetzt hat sie
einen Italiener aus der Mittelschicht ken-
nen- und lieben gelernt, der als Angestellter
am Flughafen Fiumicino arbeitet. Olimpia
hat es geschafft und freut sich, dass auch
sie nun eine Massage am Strand genießen
kann und dass bald eine italienisch-rumä-
nische Hochzeit gefeiert wird.
Oben an der Hauptstraße betreiben zwei
Nordafrikaner einen Parkplatzservice.
Man parkt sein Auto in der zweiten Reihe,
gibt einem der Männer die Schlüssel und
zwei Euro. Sobald sich eine freie Parklücke
auftut, wird der Wagen von den selbster-
nannten Parkwächtern in die sich öffnen-
de Lücke umgesetzt. An einer Kreuzung
treffen wir Ludwik, einen Polen aus War-
schau. Er steht seit Jahren täglich hier und
putzt auf Nachfrage die Scheiben der Autos
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