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schen Schriftstellers Guido Piovene den
Anblick eines modernen Pompeji. Erst
1950 wurde der ehemalige Leiter des
Projekts, Virgilio Testa, damit beauftragt,
die Gebäude zu restaurieren bzw. fertig-
zustellen - ein nahtloser Übergang ei-
nes faschistischen Projekts in die junge
Demokratie.
Es gibt eine amüsante Anekdote, wie
es zu dem Wiederaufbau des Stadtvier-
tels kam. Angeblich fuhren der christde-
mokratische Ministerpräsident de Gas-
peri und sein Staatssekretär Andreotti
1950 durch EUR und beobachteten, wie
Marmorblöcke auf Lastwagen geladen
wurden. Der Fahrer der beiden erklärte
ihnen, dass EUR schon seit Jahren als
illegaler Steinbruch für Baumaterialien
diene.
Dieses Prinzip gilt in Rom schon seit
dem Untergang des Römischen Welt-
reichs: Die Hinterlassenschaften ver-
gangener Regime wurden schon immer
einer neuen Bestimmung zugeführt. Die
Päpste nutzten beispielsweise jahre-
lang das Kolosseum als Steinbruch für
ihre Neubauten. Für den aus Nordita-
lien stammenden de Gasperi war das
schlicht kriminell. Angeblich soll er sei-
nen Staatsseketär sofort angewiesen ha-
ben, diesen Raubbau an Staatseigentum
zu beenden und mit dem Wiederaufbau
von EUR zu beginnen.
Die faschistischen Straßennamen in
EUR zeugen noch vom Geist der Zeit: die
„Straße der römischen Zivilisation“ etwa
oder die „Straße der Zivilisation der Ar-
beit“. Ganz im Sinne des Duce wurde das
Stadtviertel fertig gebaut.
Heute dokumentiert EUR eindrucksvoll
die menschenverachtende Haltung des
italienischen Faschismus - ein längerer
Spaziergang bedrückt durch die Gewalt
der riesigen Gebäude, unter der das In-
dividuum nur noch verloren wirkt. Aller-
dings zeigt sich, dass die italienische fa-
schistische Architektur auch vom Moder-
nismus des Bauhaus beeinflusst war.
In EUR sind viele Ministerien und die
Verwaltungsgebäude des italienischen
Staates untergebracht. Außerdem ist es
eine exklusive Wohngegend - abseits
des Autoverkehrs außerhalb der Stadt
gelegen, ist man trotzdem mit der Me-
tro in wenigen Minuten im Stadtzentrum.
Über 50 % des 439 Hektar großen Are-
als sind dem öffentlichen Nahverkehr
und Grünflächen vorbehalten. Das ist
nicht nur in Rom bzw. Italien eine Aus-
nahme, sondern gilt auch international
als beispielhaft.
Einer der größten und auffälligsten
Bauten ist der Palazzo della Civilità lta-
liana [iii b3] in der Viale della Civilità del
Lavoro. Heute ist darin ein Bürogebäu-
de untergebracht. Von den Römern wird
der Bau auch als das eckige Kolosseum
bezeichnet. Am anderen Ende der Viale
Civilità del Lavoro erhebt sich der mäch-
tige Palazzo dei Congressi, der 1938 von
Adalberto Libera erbaut wurde.
Auch die Kirche Pietro e Paolo [iii a3]
(von A. Foschini 1939 fertiggestellt) in
der Viale dei SS gibt einen guten Ein-
druck, wie Rom heute aussehen würde,
wäre der Faschismus an der Macht ge-
blieben. Der Durchmesser der Kuppel
misst ganze 28 Meter. Damit liegt sie
hinter der Kuppel des Petersdoms an
zweiter Stelle in Rom.
Ein sehr interessantes Museum ist das
Museo Nazionale delle Arti e Tradizioni
Popolari, Piazza Marconi 8 [iii b3]. Es be-
schäftigt sich mit dem Leben der einfa-
chen Bevölkerung in Italien im Lauf der
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