Travel Reference
In-Depth Information
Caravaggio
Der Betrachter erkennt sofort, dass hier
ein Besessener gemalt hat. Die Aus-
drucksstärke seiner Werke, die starken
Kontraste, die Verwendung von schwar-
zen Hintergründen, die Prostituierten,
die ihm als Vorlagen dienten und die er
zu Engeln und Heiligen stilisierte, das al-
les kann kein bescheidener Kunsthand-
werker gemalt haben.
Geboren wurde Michelangelo Meri-
si, der spätere Meister des Frühbarock,
vermutlich 1571 in Mailand. Die wohl-
habende Familie kam aus Caravaggio,
einem kleinen Weiler auf halber Strecke
zwischen Mailand und Bergamo, der dem
Künstler seinen Namen gab. Als der Jun-
ge noch klein war, musste die Familie vor
der in Mailand wütenden Pest in ihren
Heimatort fliehen. Kurz darauf starb der
Vater an den Folgen der Seuche. Vielleicht
führte diese frühkindliche Erfahrung zu
den düsteren Bildern, die Caravaggio spä-
ter malte. Auch sein aufbrausender und
exzentrischer Charakter, durch den der
Maler keiner Wirtshausschlägerei aus
dem Weg gehen konnte und selbst vor
Mord nicht zurückschreckte, könnte so er-
klärt werden.
Geprägt wurde der talentierte Jun-
ge, als er im Alter von dreizehn Jahren
bei dem für seinen Realismus bekannten
Mailänder Maler Simone Peterzano eine
Lehre antrat. 1590 schließlich zog es Ca-
ravaggio nach Rom, wo die Kunstproduk-
tion im Zuge der Gegenreformation eine
neue Blüte erlebte. Bald darauf erkrankte
der junge Künstler schwer an Fieber. Es
folgte ein längerer Aufenthalt in einem
Krankenhaus, wo sein erstes Meisterwerk,
der „Kleine kranke Bacchus“ (1593), ent-
stand, der heute in der Galleria Borghe-
se Ø zu sehen ist. Der Jüngling mit der
grünlichen Gesichtsfarbe stellt vermutlich
den Künstler selbst dar.
Langsam geriet das Leben Caravaggios
in ruhigere Bahnen. Der junge Mann
wurde Mitarbeiter in verschiedenen
Werkstätten, wo er Blumen und Früch-
te malte. Bald trat er der Bruderschaft
der Maler bei und verkaufte seine ersten
Werke an Gerolamo Vittrici, den stellver-
tretenden Kämmerer des Papstes. Unter
diesen Bildern befanden sich die „Reuige
Magdalena“ und die „Ruhe auf der Flucht
aus Ägypten“, die heute beide im Palaz-
zo Doria Pamphilij Æ ausgestellt sind.
Für die Cerasikapelle in der Kirche San-
ta Maria del Popolo Ö erhielt Caravaggio
den Auftrag für zwei Monumentalgemäl-
de, die „Kreuzigung Petri“ und die „Be-
kehrung des Heiligen Paulus“. Der Realis-
mus Caravaggios und die Ablehnung al-
ler Konventionen fanden allerdings nicht
nur Zustimmung. Seine Modelle stamm-
ten meist aus der römischen Unterschicht.
Die Madonna di Palafrenieri (in der Gal-
leria Borghese) wurde gar von einer stadt-
bekannten römischen Prostituierten inspi-
riert, die in der Nähe der Piazza Navona
ihren Geschäften nachging.
Die Schar seiner Verehrer wuchs aber
trotzdem ständig an. Zu ihnen gehörte
auch der Lieblingsneffe des Papstes, Kar-
dinal Scipione Borghese, der Begründer
der gleichnamigen Kunst- und Gemälde-
sammlung. Im gleichen Verhältnis zu sei-
nem Ruhm wuchs auch das Konto seiner
Vorstrafen, meist wegen handgreifli-
Search WWH ::




Custom Search