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Es kam zu einer Landflucht und immer
mehr Arbeitsuchende strömten in die
Städte. Die Londoner Docks fungierten
als größter Arbeitgeber der Stadt, denn
es herrschte ein reger Im- und Export
von Waren. Ende des 18. Jh. legten pro
Woche bis zu 1400 Schiffe entlang der
Themse an und ständig mussten Waren
ein- und ausgeladen werden.
Die meisten Dockarbeiter waren je-
doch Tagelöhner und hatten keinen
ständigen Verdienst. Sie ließen sich in
den Gegenden östlich des Towers wie
St. Giles, Whitechapel, Shadwell, Spi-
talfields und Bethnal Green nieder, die
Einwanderer mit offenen Armen aufnah-
men und wo man seinesgleichen fand.
Es gab jedoch bei Weitem nicht genug
Wohnraum. Ganze Familien mussten in
einem einzigen Zimmer Platz finden, für
die Ärmsten gab es Schlafhäuser, in de-
nen man einzelne Betten mieten konnte.
Während in den Häusern reicherer
Leute bereits gegen Ende des 18. Jh.
mithilfe von Pumpen Quellwasser in die
Häuser transportiert wurde und es die
ersten Toiletten mit Wasserspülung gab,
fand man in den Slums des East Ends
nicht einmal die rudimentärsten sanitä-
ren Einrichtungen. Es gab kein fließen-
des Wasser, die Straßen waren nicht
gepflastert, Abwässer wurden einfach
in Bäche und Flüsse wie den Fleet Ri-
ver (heute die Fleet Street) oder auf die
Straße geschüttet. Die Behausungen
hatten oft kein Tageslicht. Da Bettzeug
oder Kleidung so gut wie nie gewechselt
oder gewaschen wurden, waren sie mit
Ungeziefer wie Läusen und Wanzen ver-
seucht, die Krankheiten übertrugen. Mit-
te des 18. Jh. kam es mehrfach zu Ty-
phus-Epidemien. Die Abwässer aus den
verschiedenen Wasserläufen der Stadt
endeten in der Themse, aus der unge-
klärtes Trinkwasser entnommen wurde,
was Choleraerkrankungen auslöste. Wer
es sich leisten konnte, trank stattdessen
Bier oder Wein.
Unterernährung und die ständige Ge-
fahr durch Infektionen führte zu hoher
Kindersterblichkeit: Zwischen 1700 und
1750 waren 40 % aller verstorbenen
Londoner Kinder unter zwei Jahren.
Zwischen 1720 und 1740 kam es zum
sogenannten „Gin Craze“. Die Regierung
erhob hohe Steuern auf die Einfuhr von
Brandy aus Frankreich, um stattdessen
die Gin-Destillerien im eigenen Land zu
fördern. Der Schnaps wurde zeitweise
billiger verkauft als die Grundnahrungs-
mittel. Besonders in den East-End-Slums
schuf dies Probleme, da sich Frau, Mann
und Kind betranken, um das eigene
Elend zu vergessen.
Der Maler William Hogarth hielt die
durch den Alkohol ausgelösten Zustän-
de in seinem Werk „Beer Street and Gin
Lane“ im Jahr 1751 bildlich fest. Auf-
grund eines Preisanstiegs beim heimi-
schen Getreide und dem Erlass des Gin
Acts im Jahr 1751 wurde dem „Gin Craze“
schließlich Einhalt geboten.
Da nur wenige Arbeiter ständige An-
stellungen hatten und die Arbeitslage au-
ßerdem stark fluktuierte, kam es zu ei-
nem Anstieg der Kriminalität und Pros-
titution. Noch bis Ende des 19. Jh. und
zu Beginn des 20. Jh. hatte das East End
daher den Ruf eines lasterhaften und ge-
fährlichen Pflasters. Ereignisse wie die
Morde durch Jack the Ripper förderten
dieses Bild.
Es gab allerdings auch einen Zusam-
menhalt und ein Gemeinschaftsgefühl
in diesen Stadtvierteln. Dies zeigte sich
z. B. in den 1930er-Jahren, als britische
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