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Emotionen und Gefühlen. Ich erzähle ihm, dass ich in den nächsten Tagen dem
»Meister der Mimik«, Paul Ekman, begegnen werde, und merke, dass längst
Lionel derjenige ist, der die Fragen stellt. Er ist ganz in seinem Element, bringt
Menschen dazu, Geschichten zu erzählen, genauer und mutiger zu werden, und
hört ihnen dann schließlich genussvoll zu.
Am Ende frage ich ihn doch noch, ob er Zeit häte, sich mein Castingband an-
zusehen, das ich online gestellt habe, zusammengeschniten aus dem wenigen
englischen Material, das ich gedreht habe, und deutschen Filmszenen mit englis-
chen Untertitelten. Er ist nicht verärgert und verspricht es. Ich denke an das Zitat
von Jack Nicholson: In Hollywood everything is nothing until it is something. Bew-
erbungsunterlagen wie meine dringen ohne Beziehungen sonst nicht mal bis zum
Assistenten des Assistenten durch.
»Lie to Me« ist eine Fernsehserie, die auch bei uns ausgestrahlt worden ist. Tim
Roth spielt darin den Psychologen Dr. Cal Lightman, der von Ermitlern zu Hilfe
gezogen wird, weil er durch Analyse von Gestik, Mimik und Körpersprache fests-
tellen kann, ob sein Gegenüber die Wahrheit sagt oder lügt. uasi ein lebender
Lügendetektor. Diese Serie und ihre Hauptigur basieren auf einer tatsächlich ex-
istierenden Vorlage: dem Ethnologen und Psychologen Paul Ekman. Ebenjenem
»Meister der Mimik«, von dem ich Lionel Wigram erzählt habe.
Ekmans System basiert auf der Annahme, dass es sieben Grundemotionen gibt
und dass Mimik zudem eine universale Sprache ist. Wut, Ekel, Angst, Verach-
tung, Traurigkeit, Überraschung und Freude können von allen Menschen kul-
turübergreifend erkannt und ausgedrückt werden. Daraus entwickelte Ekman das
Facial Action Coding System, eine Art Atlas der menschlichen Mimik. Jeder
Gesichtsausdruck, den die 43 Gesichtsmuskeln erzeugen, kann damit in seine
Komponenten zerlegt werden. Mit diesem Wissen wird lesbar, ob jemand Inform-
ationen verheimlicht oder verfälscht. Das machte Ekman zum Lügenexperten
und zum Mitarbeiter von FBI und CIA. Inzwischen sind Verhörspezialisten,
Flughafenpersonal und Sicherheitsbeamte und, nach 9/11, auch die CIA nach
seiner Methode ausgebildet.
Ihn also sollte ich trefen, weil ein Team aus Deutschland für die ARTE-Doku-
mentation »Durchschaut: Das Rätsel menschlicher Gesichter« Ekman besucht
und ilmen will, wie er mit mir als Schauspieler Übungen macht. Ich kann Ek-
mans Gesicht nicht einschätzen. Es ist ausdruckslos und gleichwohl quecksilbrig
beweglich. Er kann ofenbar jeden einzelnen Gesichtsmuskel isoliert in alle er-
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