Travel Reference
In-Depth Information
Ein Satz übrigens, den ich des Öteren zu hören bekam, als ich meine Dre-
hbuchentwürfe abgab. In diesen aufregenden drei Monaten bin ich kein Dre-
hbuchautor geworden, aber ich habe jeden Tag mindestens zwei Filme gesehen,
ihre Strukturen analysiert, einen Einblick in die Technik des Schreibens und eine
tiefe Ehrfurcht vor der Kunst des Drehbuchschreibens bekommen.
Sehr naiv dachte ich, wenn ich schon mal in Hollywood bin, kann ich ja ver-
suchen, nebenbei irgendwie einen Job als Schauspieler zu erhaschen. Und sollte
es überraschenderweise sehr gut laufen, dann könnte man ja überlegen … Es war
schließlich nicht so, dass ich mich daheim vor Arbeit nicht häte reten können.
Im Gegenteil.
Vielleicht hate ich Glück und konnte irgendwo eine Kleinigkeit zu spielen
bekommen. Meinem Englisch hörte man die deutsche Herkunt zwar deutlich an,
aber vielleicht könnte ich es ja wie die Kollegen hier machen und mir, wenn es so
weit kommen sollte, einen Coach nehmen, der mir mit der phonetischen Fein-
arbeit half. Aber wo ing ich an? Wie konnte ich mich bemerkbar machen, den
vielen Casting-Agenten signalisieren, dass es mich gab und ich in den nächsten
drei Monaten Zeit hate, um zu arbeiten?
Ich lache mich heute noch scheckig über meine Blauäugigkeit. Völlig unverbit-
tert! Aber immerhin verfüge ich ganz ofensichtlich über ualitäten, die neben
dem handwerklichen Können in meiner Branche zwingend notwendig sind: tiefer
Grundoptimismus und Angstfreiheit. Andere dringend benötigte ualitäten habe
ich weniger: Biss, Ausdauer, Schamfreiheit, Ellbogen, Größenwahn …
Ich trefe Martin M. Kupsch aus Köln, der mit seiner Frau seit sechzehn Jahren in
Los Angeles lebt und eine Firma gegründet hat, die Schauspielern oder denen, die
es werden wollen, hilt, ins Filmgeschät zu kommen.
Wir haben uns vor einem Café in der Franklin Avenue, nicht weit vom
Hollywood-Schritzug, verabredet. Wir sind beide pünktlich (was sehr un-
gewöhnlich in Los Angeles ist), und Martin kommt strahlend auf mich zu. Wir
haben noch kein Wort miteinander gesprochen, und schon kann ich ihn nicht
ausstehen. Ich ärgere mich über mich und herrsche mich innerlich an, sofort
damit aufzuhören. Was ist das? Zwei Möchtegern-Alphamännchen begegnen
sich? Das übliche Phänomen, wenn sich Deutsche im Ausland trefen? Er ist ein
Aussteigertyp. Hey-ich-leb-seit-zwanzig-Jahren-in-Kalifornien. Fehlt nur noch,
dass er sein Deutsch mit amerikanischem Akzent färbt und ihm das ein oder an-
Search WWH ::




Custom Search