Travel Reference
In-Depth Information
Auch hier lassen wieder Tag und Nacht zwei unterschiedliche Aspekte her-
vortreten: Tagsüber ist der vordere Teil des Gebäudes mit Menschen gefüllt, die
sich Bücher ausleihen, an ihren Dissertationen arbeiten oder aus anderen
Gründen recherchieren. Nachts ist das Parkhaus im hinteren Teil taghell er-
leuchtet und voller glänzender Autos und aufgehübschter Menschen, die von
Konzerten oder aus den Bars und Clubs kommen.
Die lächige Außenseite des Parkhauses allerdings war den Architekten und
Designern Steve Johnson und James Favaro wohl doch zu simpel. Sie beau-
tragten drei Street Artists, sich an der Fassade auszutoben. Und nun schmücken
drei hausgroße Kunstwerke die rückseitigen Fassaden der Bibliothek. Die sen-
krecht zerlaufenden, blauschwarzen Zeichen sind typisch für RETNA, der hier
Texte von Salman Rushdie kryptisiert hat. Außerdem inden sich Kenny Scharfs
psychedelische Monstercomicfratzen und das bisher lächendeckendste Werk von
Shepard Fairey: der West Hollywood Peace Elephant .
Das Werk zeigt tatsächlich einen Elefanten, der eine Blüte im Rüssel trägt, ge-
folgt von einer Friedenstaube. Das klingt grauenvoll, sieht aber großartig aus.
Faireys monumentale Motive, die mich immer ein wenig an alte Propaganda-
Plakate erinnern, vermischen sich leicht ironisch mit indisch anmutenden Orna-
menten und entwickeln eine seltsame Schönheit. Wenn man genau hinguckt, ent-
deckt man im Stempel der Blüte das für Fairey typische » Obey the Giant« -Pikto-
gramm.
Ungefähr acht Meilen östlich der Library liegt ein anderes Schmuckstück inmit-
ten der Glas-Stahl-Giganten auf der 5th Street in Downtown. Auch eine Biblio-
thek, die dritgrößte der USA, und ebenso mit beeindruckender Wandmalerei ver-
schönt. Die Grand Central Library. Ich hate die Ehre, dort gemeinsam mit Corne-
lia Funke vorlesen zu dürfen. Lesungen in den USA unterscheiden sich sehr von
denen in Deutschland. Es werden höchstens zehn bis fünfzehn Minuten aus dem
Buch gelesen, danach gibt es eine Fragestunde, die also den Haupteil der Veran-
staltung ausmacht. Denn lesen können die Besucher zu Hause auch selbst, aber
den Autor spüren, erleben, ihm begegnen, das ist etwas Besonderes, dafür kom-
men die Leute.
Und kaum haben Cornelia und ich die Bücher zugeklappt, spüren wir sie
wieder, diese für Los Angeles typische Neugierde. Sofort gehen die Hände hoch,
und man fragt uns Löcher in den Bauch. Die Fragen sind im Großen und Ganzen
keine anderen als in Deutschland, aber man hat hier weniger Berührungsängste.
Search WWH ::




Custom Search