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seinem Kofer sitzt, die drei Mädchen in Eile, alle wirken in diesem Interieur wie
geschickt inszenierte Statisten. Die alte Ticketschalterhalle ist einsehbar, aber
abgesperrt. Sie wird ausschließlich für Hochzeiten, Foto-Shootings und Filmauf-
nahmen genutzt und taucht zum Beispiel in »Speed«, »he Driver«, »Collateral«,
»Blade Runner« oder dem neuen »Batman« auf. Kein Wunder, dass ich das Ge-
fühl hate, die Halle zuvor schon einmal gesehen zu haben.
Schräg gegenüber vom Bahnhof beindet sich
El Pueblo de la Los Angeles
, wo
sich neben der La Placita-Kirche gleich 26 der ältesten Häuser der Stadt um einen
schönen Platz gruppieren. Auf dem Kirchengelände ist schon viel los. Schön, den-
ke ich, schau ich mir mal eine mexikanische Morgenmesse an. Ich habe mich je-
doch geirrt: Die Kapelle ist leer, und die vielen Menschen draußen stehen ledig-
lich an einem Counter an. Dahinter herrscht hektische Betriebsamkeit zwischen
Kartons mit Nudeln, Mehl, Dosen, Seife. Ich frage einen der Arbeiter, was hier los
sei, und bekomme ein Grummeln zur Antwort. In der Schlange stehen nur alte
Menschen, fast ausschließlich Asiaten. Ich frage zwei, drei Leute, keiner scheint
mich zu verstehen. Schließlich raunt mir eine alte Frau lächelnd ein paar Wörter
zu: Spenden, Rentner, Lebensmitel, Care-Pakete … Ich fange mir noch ein paar
skeptische Blicke ein, und dann spüre ich, es ist nicht der richtige Augenblick, um
mit jemandem ins Gespräch zu kommen.
Bei Regen und Nacht könnte die Szene auch aus »Blade Runner« mit Harrison
Ford stammen, aber es ist ein strahlend schöner Morgen, und ich schlendere
zwischen den Buden der sich an den Platz anschließenden Olvera Street davon.
Die Stände sind noch nicht geöfnet, aber die mexikanischen Verkäufer haben
sich schon versammelt und trinken ihren Morgenkafee miteinander. Im Hinter-
grund lärmt ein Polizeihubschrauber auf dem Dach des
LAPD
-Hauptquartiers,
dann steigt er auf zur ersten Runde des Tages.
Weil ich für den Rückweg spaßeshalber den Bus nehmen will, rufe ich bei der
Info der Metro an, um nach der richtigen Linie zu fragen. Nach langem Schwei-
gen fängt die Dame furchtbar zu schimpfen an. Sie habe keine Zeit, sich veräp-
peln zu lassen!
You must be kidding!
Als sie in mir den dummen Touristen erken-
nt, fragt sie, warum ich denn um Gotes willen den Bus nehmen wolle, wenn es
doch eine U-Bahn gebe. Mit dem Bus müsse ich zwei- oder sogar dreimal um-
steigen und bräuchte für die Strecke zehnmal so lang, und die U-Bahn sei doch
pünktlich, sehr sauber und ohne Verrückte.
Have a nice day
.