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Wunderbar, denke ich, wir veranstalten eine Single-Party. Gleich am nächsten
Tag beginne ich mit der Suche nach Männern, bei denen ich mir vorstellen kann,
mit ihnen bei einem Essen an einem Tisch zu sitzen und zu reden.
Ich bin allerdings sehr schnell sehr ratlos. Liegt das an mir? An dem Perspekt-
ivwechsel, weil ich plötzlich nach Männern suchen soll?
Ich blätere durch die Proile und bleibe nirgends hängen. Mich interessiert
keiner. Schon gar nicht, wenn ich versuche, mit den Augen einer Frau zu
schauen. Die Seiten sind voll von Männern, die versuchen, wie Helden zu gucken,
von Fitnessbesessenen. Weiterhin gibt es Nerds ohne Ende, feiste Fast Food-
Liebhaber und strahlende Naturburschen, gleichermaßen unsexy. Ich habe den
Eindruck, viele suchen einfach nur jemanden, der ihnen beim Sport zuguckt oder
sie anderweitig anhimmelt. Wenn jemand schreibt, wie wichtig ihm seine Arbeit
ist, heißt das auf Deutsch: Lass mich in Ruhe - ich möchte eine Frau, aber keine
Veränderung.
Aus den Proilen, die ich lese, klingt heraus, dass viele Single sind, weil sie
keine Zeit für eine Beziehung haben. Oder genauer, weil sie sich für die falschen
Dinge die Zeit nehmen. Zum Beispiel, weil sie vor dem Computer sitzen und
nach einer Frau suchen, stat aufzustehen und wirklich nach einer Frau zu
suchen.
Den meisten ist dann die Anfrage eines Mannes suspekt, und viele haben sch-
lichtweg keine Lust und Zeit für eine Begegnung ohne klare Absicht.
Kurz, die Single-Party kam nicht zustande, weil mein Drei-Monats-Visum aus-
lief und ich dringend Zeit mit meiner Frau verbringen wollte, die damals noch in
Los Angeles lebte.
Ich habe sie nicht über das Internet kennengelernt.
Es war ein großes Dinner bei Cornelia Funke. Wir machen das jedes Mal, wenn
ich in L. A. bin. Cornelia und ich laden Freunde ein, die uns nah und wichtig sind,
und immer auch einige, die entweder sie mir vorstellen möchte oder umgekehrt.
Und ich koche dann. Und manchmal sitzen ein paar Oscargewinner an unserem
Tisch wie Florian Henkel von Donnersmarck, manchmal auch Mark Ordesky, der
»Herr der Ringe« produziert hat, oder der »Harry Poter«- und »Sherlock
Holmes«-Produzent Lionel Wigram. Diese Leute sind froh, wenn sie mal nicht ihr
öfentliches Gesicht aufsetzen müssen und privat sein dürfen. Das ist das Beson-
dere an unseren Dinners, sie gehören zu den seltenen absichtslosen Begegnungen
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