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Interessant ist, dass das Spiel sich verändert, sobald die Angelenos im Auto
sitzen. Ein Auto suggeriert Schutz. Man fühlt sich der Welt nicht mehr ausgesetzt
und sehr viel sicherer. Der neutralisierende Schutz wird nicht mehr gebraucht.
Der Blick des anderen wird nicht mehr mit einem Lächeln beantwortet, sondern
geht einfach an einem vorbei.
Die Begegnungen hier gleichen denen von Hunden, die sich wohlwollend
beschnüffeln und freundlich mit dem Schwanz wedeln. Der Erstkontakt wird
einem in L. A. sehr, sehr leicht gemacht. Was dann folgt, ist etwas komplizierter.
So kam es, dass ich in den ersten Monaten wahnsinnig viele Menschen
kennengelernt, mich aber trotzdem zunehmend einsam gefühlt habe. Es fehlte
Verbindlichkeit, das Dranbleiben, die Folgebegegnung.
Aber wenn man nicht gerade ein Projekt laufen hat oder einen Hund oder ein
Baby (»Au ja! Dann lassen wir die beiden mal miteinander spielen!«), wenn man
darüber hinaus noch den Fehler macht, zu sagen, dass das Visum bald ausläut,
dann gibt es aus Sicht der Angelenos keinen Grund, sich noch einmal zu
begegnen. Der nackte Pragmatismus, vollkommen untragisch. Ich behaupte, es
gibt wenig, was in L. A. ohne eine bestimmte Absicht geschieht. Freunde trit
man, weil man etwas braucht oder weil es an der Zeit ist - um sicherzustellen,
dass die Freundschat noch nicht auseinanderbricht. Wobei ich auf keinen Fall
andeuten will, dass dieses Vorgehen berechnend ist. Oder ist es das?
Sexualforscher der University of California San Francisco (UCSF) haben in Um-
fragen festgestellt, dass sich vor allem bei Teenagern Oralverkehr großer Be-
liebtheit erfreut. Abgesehen von der falschen Annahme, es würden auf diesem
Weg weniger oder keine Geschlechtskrankheiten übertragen, ist interessant zu
hören, was die Kids auf die Frage nach den Gründen geantwortet haben. Oral-
verkehr nämlich sei kein Sex. Sie häten mit weniger negativen sozialen und
emotionalen Konsequenzen zu rechnen. Sie fühlten sich nicht so schlecht danach,
seien ohne Schuldgefühle. Oralverkehr ist einfach keine große Nummer.
Im Übrigen haben die Jugendlichen in Expräsident Bill Clinton ein berühmtes
Vorbild, der im Zusammenhang mit der Lewinsky-Afäre ja einmal sagte, Fellatio
sei nicht wirklich Sex. Geschlechtsverkehr spart man sich auf, für denjenigen, mit
dem man wirklich zusammen sein möchte. Oraler Verkehr hat im Gegensatz dazu
eine Leichtigkeit, ist unverbindlich und schat trotzdem eine Schnitstelle. Man
hate was miteinander, trit sich vielleicht mal wieder, hat auf jeden Fall »einen
gut«.
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