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derholten wir das kleine Beispiel, das zur Illustration der Rekombination beim GA gebracht
wurde, nämlich binäre Vektoren so zu optimieren, dass am Ende nur Vektoren mit allen Kom-
ponenten im Zustand 1 übrig blieben. Wir nahmen allerdings nicht fünfdimensionale Vektoren,
sondern Vektoren mit der Dimension 1500. Bei dieser logisch simplen aber rechen-aufwen-
digen Aufgabe zeigte es sich, dass der RGA mit einer Variation nur der Regulator-vektoren
einem Standard-GA in Bezug auf die Schnelligkeit deutlich überlegen war. Dies liegt in diesem
Fall nicht nur daran, dass die Regulatorvektoren wesentlich kleiner waren als die Baukasten-
vektoren und deshalb deutlich weniger Zeit für die optimale Variation benötigten. Wir werden
auf diese Aufgabe in 3.6 noch einmal zurückkommen. Das Beispiel zeigt vor allem, wie effek-
tiv die Variation der Systemtopologie sein kann, die hier nach unserer Einschätzung der ent-
scheidende Faktor war: Eine Variation von Steuervektoren ist natürlich auch immer eine Varia-
tion der Topologie, wenn auch gewöhnlich nicht so radikal wie eine Variation der Verknüp-
fungen selbst. Im nächsten Kapitel über neuronale Netze werden wir die Variation von
Topologien systematischer betrachten, so dass dieser Hinweis hier genügen kann. Die biologi-
sche Evolution nützt dies vermutlich ebenfalls aus, nämlich nicht unbedingt die großen Bau-
kastengenome zu variieren, sondern die viel kleineren Regulatorgenome und ggf. die Verbin-
dungen. 8 Diese und andere erste Ergebnisse (vgl. Klüver und Klüver 2011) zeigen, dass es sich
offensichtlich lohnt, der systematischen Erforschung des RGA als erfolgversprechende Erwei-
terung der etablierten Evolutionären Algorithmen einige Zeit und Arbeit zu widmen.
3.5 Simulated Annealing
Mit der Darstellung der Methode des Simulated Annealing, kurz SA, verlassen wir nun die
heuristischen Vorgaben der Evolutionsbiologie und orientieren uns an einer ganz anderen wis-
senschaftlichen Disziplin, nämlich der Thermodynamik, sowie an einer auf ihr basierenden
Technik der Metallbearbeitung. Deswegen ist, wie wir in der Einleitung zu diesem Kapitel
bereits bemerkt haben, die Einordnung von SA unter dem Oberbegriff der evolutionären Algo-
rithmen streng genommen nicht richtig. Allerdings stellen auch die SA-Algorithmen eine Ori-
entierung an natürlichen und darauf aufbauenden technischen Prozessen dar. Man kann deswe-
gen evolutionäre Algorithmen und SA gemeinsam auffassen als „naturanaloge“ Optimierungs-
algorithmen. Der Begriff der Naturanalogie ist ja generell für den gesamten Bereich des Soft
Computing charakteristisch, wie wir in der Einleitung hervorgehoben haben.
SA geht in den Grundzügen bereits auf die fünfziger Jahre zurück und wurde vor etwas mehr
als 20 Jahren von verschiedenen Mathematikern und Physikern unabhängig voneinander ent-
wickelt. Eine gut verständliche Darstellung von einigen der frühen Entwickler findet sich bei
Kirkpatrick u. a. (1983). Im Wesentlichen geht es dabei um Folgendes:
Wenn man ein Metall herstellt, wird dies in der Regel zunächst in flüssiger Form gewonnen
und dann schnell abgekühlt. Dabei fällt das Material in schlecht kristallisierter Form mit nicht
optimalen Eigenschaften an. Physikalisch gesprochen liegt das daran, dass durch schnelles
Abkühlen die in der Schmelze frei beweglichen Metallatome sich bei der an vielen so genann-
ten Keimen zu gleicher Zeit beginnenden Kristallisation an zufälligen Plätzen „zur Ruhe set-
zen“ und nicht an den optimalen, durch das ideale Kristallgitter vorgegebenen Plätzen, die dem
8 Wahrscheinlich experimentiert die Natur abwechselnd mit unterschiedlichen Möglichkeiten, da sich ja
Veränderungen in der Evolution sowohl auf beiden Genebenen als auch bei den Verknüpfungen
nachweisen lassen. Das müssen wir jedoch so als Hypothese stehen lassen, da es in der Literatur dazu,
wie bemerkt, keine detaillierten Hinweise gibt.
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