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Zum einen ist es für Simulationen der biologischen Evolution und deren Analyse im Computer
natürlich unabdingbar, das Modell in seinen wesentlichen Grundzügen der Realität entsprechen
zu lassen. Die etablierten Evolutionären Algorithmen sind offenbar in ihrer Grundlogik viel zu
einfach, um biologische Evolution verstehen zu können. Natürlich sind GA und ES schon
längst allgemeine Optimierungsalgorithmen geworden, deren Tauglichkeit unabhängig davon
gemessen wird, inwiefern sie ihrem biologischen Vorbild entsprechen. Wenn man jedoch mit
Evolutionären Algorithmen arbeiten will, um evolutionäre Prozesse nicht nur in der Biologie
genauer zu verstehen, wird man nicht umhin können, sich komplexerer Systeme wie dem RGA
zu bedienen.
Zum anderen bietet sich der RGA offensichtlich an, wenn man hierarchisch strukturierte Sys-
teme wie etwa betriebliche und andere soziale Organisation modellieren und optimieren will.
Man kann beispielsweise den Begriff der Ebene von Steuergenen als Steuerungsebene wörtlich
nehmen und untersuchen, welche Auswirkungen eine Variation auf dieser Ebene, ggf. durch
Einbezug einer Variation der Verknüpfungen, auf die Effizienz der Organisation hat. Mit „ein-
dimensionalen“ Systemen wie etwa einem GA ist das nur sehr bedingt möglich. Entsprechend
lässt sich untersuchen, wie sich Variationen der Verknüpfungen, also der Organisationsstruk-
tur, auswirken, wenn gleichzeitig geringfügige Modifikationen auf den Ebenen vorgenommen
werden.
Prinzipiell kann man bei derartigen Untersuchungen auch die Anzahl der Ebenen im RGA
vergrößern, also z. B. über die Steuerebene noch eine weitere setzen, die dann die obersten
Steuerungen vornimmt. Die ursprüngliche Steuerungsebene wäre dann in Relation zur neuen
Steuerebene selbst Baukastenebene, jedoch in Relation zur Baukastenebene immer noch Steue-
rungsebene. Der kombinatorischen Phantasie sind da buchstäblich keine Grenzen gesetzt.
Zum dritten könnte der RGA bei manchen Problemen deutlich schneller sein als ein GA oder
eine ES - eine ES kann natürlich auch erweitert werden zu einer „RES“. Wenn es beispielswei-
se bei manchen Problemen ausreicht, nur die Steuergene zu variieren, wäre der Optimierungs-
prozess wesentlich schneller, da der Steuergenvektor deutlich kleiner sein sollte als der Bau-
kastenvektor. Es liegt auf der Hand, dass dies zu einer wesentlichen Beschleunigung der Opti-
mierungsprozesse führen kann. Dabei brauchen die Steuergene gar nicht realen Komponenten
des zu optimierenden Systems zu entsprechen, sondern können einfach als mathematische
Konstrukte zur Effizienzsteigerung der Optimierungsprozesse eingeführt werden.
Schließlich ist es bei einem RGA nicht selten einfacher, sog. Constraints einzuführen. Damit ist
gemeint, dass bei Optimierungsprozessen häufig bestimmte Elemente nicht verändert werden
dürfen, sozusagen die Heiligen Kühe des Systems. Außerdem unterliegen die Prozesse, die
optimiert werden sollen, nicht selten noch weiteren Randbedingungen, die dann durch Zusatz-
regeln in einem üblichen Evolutionären Algorithmus implementiert werden müssen. Derartige
Constraints lassen sich in einem RGA häufig einfacher berücksichtigen, indem bestimmte
Verknüpfungen gesperrt werden. Die Erforschung derartiger und anderer Möglichkeiten des
RGA steht naturgemäß erst am Anfang.
Erste Experimente mit dem RGA, deren Ergebnisse natürlich noch nicht generalisiert werden
können, zeigten übrigens, dass gar nicht selten die Variation der Verknüpfungen gemeinsam
mit der Variation der Regulatorvektoren die besten Ergebnisse brachten. 7 Unter anderem wie-
7 Die Experimente führte Markus Mejer im Rahmen seiner Diplomarbeit durch, der auch einen RGA mit
einem GA in Bezug auf Optimierung von Raumbelegungsplänen einer Universität verglich. Der RGA
war gewöhnlich dem GA in den Ergebnissen mindestens gleichwertig und nicht selten hinsichtlich der
Schnelligkeit überlegen.
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