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nen weiterzugeben, während die weniger geeigneten Organismen und Gattungen aus der evolu-
tionären Konkurrenz verschwinden. Die prinzipielle Logik der Evolution operiert demnach
zweistufig: Mutation und Rekombination, d. h. Veränderung von Genen und deren Vermi-
schung in der heterosexuellen Reproduktion, wirken auf der genetischen Ebene, während die
Selektion deren epigenetisches und ontogenetisches Ergebnis, also den phänotypischen Orga-
nismus, bewertet (als Epigenese wird, vereinfacht ausgedrückt, die Entwicklung des befruchte-
ten Ei zum pränatalen Organismus bezeichnet, die Ontogenese ist die Entwicklung vom neuge-
borenen zum erwachsenen Organismus). Dies Prinzip der Zweistufigkeit ist auch bei der Kon-
struktion bestimmter hybrider Systeme wesentlich; bei „einfachen“ evolutionären Algorithmen
spielt diese Zweistufigkeit jedoch gewöhnlich keine Rolle.
Mutation und Rekombination, zusammengefasst unter dem Begriff der Variation , sind beides
prinzipiell stochastische Prozesse, d. h., sie operieren auf der Basis von Zufälligkeit. Für sich
genommen können diese genetischen Operationen keine „kreative“ Wirkung haben; dafür ist
die Selektion verantwortlich. Diese zwingt die Variationsprozesse in bestimmte Richtungen
und steuert somit trotz der „Blindheit“ der stochastischen Prozesse diese in die Richtung von
bestimmten Optima (Dawkins 1987). Allerdings müssen dies, um es hier hervorzuheben, keine
globalen Optima sein, d. h. nicht unbedingt die bestmöglichen Lösungen.
Formal lassen sich die Prinzipien der Variation und Selektion als Optimierungsverfahren - in
der Natur von Gattungen und Organismen in Bezug auf eine bestimmte Umwelt - verstehen.
Dabei handelt es sich um Algorithmen, die in einem „Suchraum“ operieren, d. h. in einem
abstrakten Raum, in dem es unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für bestimmte Probleme
gibt. Die Operationsweise eines Optimierungsalgorithmus kann man dann durch eine Trajekto-
rie in diesem Raum charakterisieren. Die bestmögliche Lösung für das jeweilige Problem wird
als globales Optimum bezeichnet; andere Lösungen, sofern das Problem mehrere Lösungen
zulässt, die nicht global optimal sind, werden lokale Optima genannt. Dies entspricht den
Attraktoren der Zustandsräume: Eine „gute“ Lösung wird normalerweise von den Optimie-
rungsverfahren nicht mehr verlassen. Ebenso jedoch wie z. B. stochastische ZA einen Attraktor
zumindest kurzfristig verlassen können, sorgen die stochastischen Komponenten bei Evolutio-
nären Algorithmen dafür, dass auch lokale Optima unter bestimmten Bedingungen verlassen
werden können. Wir werden darauf zurückkommen.
Die Effizienz von Optimierungsalgorithmen wird danach bewertet, wie schnell sie überhaupt
Optima erreichen, wie „gut“ diese Optima sind und außerdem, ob sie bei Erreichen lokaler
Optima diese auch wieder verlassen können, um ggf. globale Optima zu erreichen. In der Evo-
lutionsbiologie nennt man den Suchraum, in dem sich die verschiedenen Gattungen evolutionär
„bewegen“, d. h., in dem sie ihre Anpassungsleistungen erbringen, auch eine „Fitness-Land-
schaft“ (fitness landscape, vgl. z. B. Kauffman 1993); diese kann man sich als ein Gebirge mit
niedrigen und mittelgroßen Gipfeln, den lokalen Optima, und sehr hohen Gipfeln, den globalen
Optima, vorstellen.
Es sei noch darauf verwiesen, dass insbesondere Physiker nicht von Optima sprechen, sondern
von Minima. Die Gründe dafür liegen in der physikalischen Theoriebildung und den verwende-
ten mathematischen Methoden: Die Physiker suchen primär nach den Minima bestimmter
Potentialfunktionen. Wie diese prinzipiell zu berechnen sind, ist vielleicht noch aus der Schule
unter dem Stichwort der Differential- und Integralrechnung bekannt. Bei der Einführung in
Simulated Annealing wird das Prinzip der Energieminimierung etwas näher erläutert.
Man kann grundsätzlich unterscheiden zwischen deterministischen und stochastischen Opti-
mierungsverfahren. Deterministische Optimierungsverfahren sind z. B. die bekannten Newton-
schen Näherungsalgorithmen oder die Gradientenstrategie, die mit den Differential- bzw. Dif-
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