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Mehrere schwarze kleine Cluster bilden lokale Punktattraktoren, die sich während ca.
100 Schritten - und sogar bei über 300 Schritten nicht verändern. Im ZA-Modell hat dies sei-
nen Grund darin, dass sich dort homogene Gruppen mit radikalen Meinungen gebildet haben,
die gleichzeitig von den übrigen Individuen isoliert sind und deswegen von den globalen Ver-
änderungen nicht erfasst werden. In der sozialen Realität entspricht dies Phänomen der im
ersten Kapitel bereits angesprochenen Beobachtung, dass bei sozialer Isolation kleine Gruppen
inmitten gesamtgesellschaftlicher Veränderungen stabil bleiben können, wenn sie hinreichend
isoliert von der Gesamtgesellschaft sind. Ein typisches Beispiel dafür sind die Amish in Penn-
sylvania, die ihre traditionellen christlich-bäuerlichen Lebensweisen durch bewusste Isolierung
tradiert haben und deren Zustand als sozio-kultureller Attraktor charakterisiert werden kann. 11
Auch in dieser Hinsicht ist OPINIO offenbar erstaunlich realitätsadäquat. Allerdings können
derartige lokale Attraktoren auch wieder verschwinden, wenn die Isolierung der entsprechen-
den Subgruppen wieder aufgehoben wird - im Modell und in der Realität.
Das Entstehen lokaler Attraktoren ist bei OPINIO eher ein Nebeneffekt gewesen, da es primär
um die Analyse der Emergenz von Segregations- und Clusterungseffekten ging. Kauffman
(1993 und 1995) hat, wie bemerkt, die Emergenz lokaler Attraktoren ebenfalls in relativ großen
BN beobachtet, ohne Gesetzmäßigkeiten für diese Effekte angeben zu können. Es handelt sich
offenbar um universell auftretende Phänomene, die sowohl in den Natur- als auch den Sozial-
wissenschaften von Bedeutung sind. Beispielsweise dürfte dies auch bei der Dynamik kapita-
listischer Märkte relevant sein; erste Hinweise in dieser Richtung finden sich unter anderem bei
Anderson et al. 1988. Offenbar sind hier sowohl vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für
diese formalen Systeme gegeben als auch noch wichtige Grundlagenforschungen zu leisten.
2.4.3 Die Konstruktion von Schaltdiagrammen durch Boolesche Netze
Bei der allgemeinen Darstellung von BN wiesen wir bereits darauf hin, dass die Hardware
eines üblichen Computers, die sog. von Neumann Computer, als ein sehr großes BN aufgefasst
werden kann und eigentlich sogar muss. Es handelt sich dabei nämlich um eine ungemein
komplexe Kombination von Schaltkreisen, die sämtlich nach logischen Prinzipien operieren,
nämlich nach dem binären Prinzip des „an oder aus“ bzw. „1 oder 0“. Deswegen spricht man
bezüglich der Funktionsweise von Computern häufig auch von „Logikverarbeitung“ (logic
processing). Von daher liegt es nahe, sich bei der Konstruktion neuer Schaltdiagramme, also
von Schaltkreisen, der Modellierungsmöglichkeiten zu bedienen, die durch BN zur Verfügung
gestellt werden. Im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen, deren reale Prinzipien erst in die
Sprache der ZA übersetzt werden mussten, haben wir es hier mit einer Modellierung zu tun, die
genau dem entspricht, was das reale System an Prinzipien bietet: Das technisch-physikalisch
reale BN von elektrischen Schaltkreisen wird modelliert durch ein künstliches BN. Um die
grundlegenden Prinzipien einer derartigen Modellierung zu verstehen, werden wir uns hier
natürlich auf die einfachsten Fälle beschränken.
Stellen wir uns ein elektrisches Schaltsystem vor, das nach dem binären Prinzip des „aus oder
an“ operiert - Strom fließt durch oder er fließt nicht durch. Natürlich gibt es auch elektrische
Schaltungen, bei denen es zusätzlich auf die Intensität des durchfließenden Stroms ankommt,
aber diese werden wir hier außer Acht lassen. Derartige Fälle lassen sich auch besser durch
bestimmte künstliche neuronale Netze modellieren, worauf wir in dem einschlägigen Kapitel
noch zurückkommen werden. Ein derartiges Schaltsystem besteht aus bestimmten Einheiten -
11 Die Amish werden sehr anschaulich und realitätsadäquat dargestellt, wie uns von einem guten Kenner
der Amish versichert wurde, in dem Film „Der einzige Zeuge“ mit Harrison Ford.
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