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Natürlich lassen sich, wie mehrfach erwähnt, BN mit einer sehr hohen Komplexität generieren.
Die genaue Analyse der Dynamik Boolescher Netze (wie auch der Zellularautomaten) ist nicht
immer einfach, denn es stellt sich anhand der aufgeführten Beispiele die Frage, welchen Ein-
fluss bestimmte Eigenschaften der jeweiligen Funktionen und der Topologie auf die Dynamik
haben. Diesem Problem wird das folgende Subkapitel gewidmet.
2.3 Regeln, Topologie und Dynamik - die Ordnungsparameter
Sowohl ZA als auch BN sind von ihren logischen Prinzipien her äußerst einfache Systeme, die
sich deswegen auch relativ unkompliziert programmieren lassen. Umso verwirrender wirkt es
häufig, dass ihre Dynamik alles andere als einfach zu durchschauen ist. Der Grund dafür liegt
darin, dass die lokal gesteuerten Wechselwirkungen permanente Rückkoppelungen in den Sys-
temen bewirken, die diese zu besonders transparenten Modellen „reiner“ Nichtlinearität ma-
chen können (vgl. Holland 1998). Die Möglichkeit, mit ZA- und BN-Modellierungen beliebig
komplexe Dynamiken zu erzeugen, wirft die Frage auf, ob es bestimmte Gesetzmäßigkeiten
gibt, denen die verschiedenen Formen der Systemdynamiken unterliegen. Da sowohl BN und
ZA potentielle universale Turingmaschinen sind, würden derartige Gesetzmäßigkeiten grund-
sätzlich auch für alle realen Systeme gelten.
Derartige Gesetzmäßigkeiten gibt es in der Tat und zwar in Form der sog. Ordnungsparameter,
zuweilen auch als Kontrollparameter bezeichnet . Ordnungsparameter sind numerische Werte,
mit denen man sowohl die Regeln als auch die topologische Struktur von BN und ZA charakte-
risieren kann; BN und ZA, für die bestimmte Werte der einzelnen Ordnungsparameter gelten,
generieren dann bestimmte Formen von Systemdynamik. Wir werden dies am Beispiel der
wichtigsten Ordnungsparameter darstellen; zu vermuten ist, dass noch durchaus nicht alle ent-
deckt worden sind. Kauffman (1993), der selbst einen Ordnungsparameter entdeckt hat, spricht
in diesem Zusammenhang von einem „Parameterzoo“.
Wenn man wieder das kleine BN-Beispiel betrachtet, dann hat dies offenbar eine sehr einfache
Dynamik in dem Sinne, dass es nach kurzen Vorperioden sofort Punktattraktoren erreicht. Die
Gründe dafür - von der Kleinheit des Netzes abgesehen - liegen darin, dass hier zwei Ord-
nungsparameter wirksam sind, nämlich der sog. P-Parameter und der C-Parameter. Die Vertei-
lung der Zustandswerte bei den Funktionen f - die Konjunktion - und g - die Disjunktion,
weist folgende Eigentümlichkeit auf: Bei der Konjunktion wirken zwei Variablen - a und b -
auf eine dritte c ein. Der Zustandswert von c ist anscheinend in drei von vier möglichen Fällen
0 und nur in einem Fall 1 (die Konjunktion ist offensichtlich ein spezieller Fall einer tota-
listischen Regel). Komplementär dazu ist bei der Disjunktion der Zustandswert der beeinfluss-
ten Variablen in drei Fällen 1 und nur in einem Fall 0. Entsprechendes gilt für die Implikation.
Diese Verteilung der Zustandswerte ist der sog. P-Wert der drei Funktionen, d. h., in allen drei
Fällen ist P = 0.75, da das Verhältnis von 1 und 0 immer 1:3 bzw. von 0 zu 1 ebenfalls 1:3 ist;
also betragt die Verteilungsproportion immer 3/4. Anders ist dies bei der Äquivalenz und dem
XOR: Hier liegt eine Gleichverteilung der realisierbaren Zustandswerte vor und wir haben für
beide Funktionen P = 0.5. Falls eine dieser Booleschen Funktionen nur einen bestimmten Zu-
stand generiert, dann ist deren Wert P = 1. Der P-Parameter misst also die Proportionen, mit
denen die verschiedenen Zustandswerte durch eine Boolesche Funktion - eine lokale Regel -
erreicht werden, so dass 0.5 d P d 1 ist.
Der Gesamtwert P eines Regelsystems ergibt sich dadurch, dass man von den verschiedenen
Werteverteilungen der einzelnen Funktionen, also deren P-Wert, den arithmetischen Durch-
schnitt bildet. In unserem Beispiel haben wir für die Konjunktion die Verteilung 1: 3 von 1 zu
0, bei der Disjunktion entsprechend 1:3 in Bezug auf 0 und 1. Insgesamt ergibt dies also einen
P-Wert für beide Funktionen zusammen von P = 0.75.
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