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2.1.2 Stochastische Zellularautomaten
Abschließend soll noch kurz auf eine wichtige Erweiterungsmöglichkeit für ZA-Model-
lierungen eingegangen werden. Die bisherigen Betrachtungen und Beispiele bezogen sich auf
deterministische ZA, d. h. Systeme, deren Regeln immer und eindeutig angewandt werden, falls
die entsprechenden Bedingungen, in diesem Fall Umgebungsbedingungen, vorliegen. Stochas-
tische Systeme unterscheiden sich von deterministischen dadurch, wie oben bereits angemerkt,
dass bei Eintreten der entsprechenden Bedingungen die Regeln nur mit einer gewissen Wahr-
scheinlichkeit p in Kraft treten. Deswegen müssen Informationen über stochastische Systeme
neben den üblichen Regelangaben auch noch die Wahrscheinlichkeitswerte enthalten, die für
die jeweiligen Regeln gelten. Falls alle Wahrscheinlichkeitswerte p = 1 sind, geht das System
wieder in den deterministischen Fall über; p = 0 bedeutet, dass die Regeln „gesperrt“ sind, d. h.
auch bei Vorliegen der entsprechenden Bedingungen wird die Regel nicht angewandt.
In der Literatur zu ZA werden fast nur deterministische ZA behandelt; Ausnahmen finden sich
z. B. bei. Gutowitz 1990 sowie Bar-Yam 1997. Für die Modellierungen realer Systeme erweist
es sich wie bereits erwähnt häufig als sinnvoll, mit stochastischen bzw. probabilistischen Re-
geln zu arbeiten. Dies ist insbesondere bei sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Proble-
men nicht selten der Fall, wenn es um die Verhaltensweise sozialer bzw. ökonomischer Akteu-
re geht: Man kann fast nie mit Sicherheit sagen, wie sich Menschen in bestimmten Situationen
verhalten, sondern im allgemeinen nur mit gewissen Wahrscheinlichkeiten - ein wesentlicher
Aspekt der „Weichheit“ sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Probleme. Da der große
Vorzug von ZA-Modellierungen, wie bereits hervorgehoben, darin besteht, direkt auf der Ebe-
ne individueller Elemente, im sozialwissenschaftlichen Fall z. B. der von individuellen Akteu-
ren, anzusetzen, müssen einigermaßen realitätsadäquate ZA-Modelle häufig stochastisch kon-
zipiert werden.
Die Grundlogik stochastischer ZA ist im Wesentlichen die gleiche wie bei deterministischen;
Regeln werden als Umgebungsregeln formuliert, die die Zustandsübergänge der jeweiligen
Zellen steuern. Die zusätzliche Einführung probabilistischer Komponenten kann grundsätzlich
auf durchaus unterschiedliche Weise erfolgen; wir haben eine technisch relativ einfache Ver-
fahrensweise entwickelt, die in der Konstruktion einer sog. Wahrscheinlichkeitsmatrix (bzw.
stochastische Matrix), kurz W-Matrix, besteht.
Eine W-Matrix enthält als Dimensionen einfach die verschiedenen möglichen Zellenzustände,
sagen wir wieder n. Die W-Matrix ist dann eine nn-Matrix, die als Matrixelemente an den
Positionen (ij) die Wahrscheinlichkeiten p ij enthält, die die Übergänge zwischen den Zuständen
i und j steuern. An einem binären Fall sei dies kurz illustriert:
1 0
1 .4 .6
0 .3 .7
(2.10)
Der Übergang vom Zustand 1 einer Zelle in den gleichen Zustand hat also eine Wahrschein-
lichkeit von p = 0.4, der Übergang in den Zustand 0 die Wahrscheinlichkeit p = 0.6; entspre-
chend ist die untere Zeile zu lesen.
Bei der Konstruktion oder Zufallsgenerierung einer W-Matrix muss darauf geachtet werden,
dass die Zeilen in der Gesamtsumme immer 1 ergeben, da irgendein Übergang, und sei es auch
der identische, immer stattfinden muss. M.a.W.: Die Summe der Übergangswahrscheinlichkei-
ten ergibt eine deterministische Gesamtsituation.
Die Konstruktion einer W-Matrix ergibt sich aus dem grundlegenden Prinzip der ZA, dass die
lokalen Umgebungsregeln ja stets Übergangsregeln in Bezug auf die jeweiligen Zellenzustände
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