Information Technology Reference
In-Depth Information
genau analysiert werden müssen. Prinzipiell kann man jedes Problem in ZA-Modellierungen
darstellen, das sich dafür eignet, unter Aspekten der Dynamik formaler Systeme betrachtet zu
werden. Die ZA-Regeln und deren Auswirkungen auf die Systemdynamik repräsentieren dann
die verschiedenen realen systemischen Wechselwirkungen; aus den Regeln ergeben sich dann
einige der Systemparameter, die für die faktische Trajektorie - mit dem Anfangszustand -
verantwortlich sind. Experimente mit ZA bedeuten also bei konstanten Regeln einerseits die
Wahl unterschiedlicher Anfangszustände, um deren Wirksamkeit einschätzen zu können, und
andererseits die Variation der in den Regeln enthaltenen Parameter.
Zwei programmiertechnische Hinweise seien hier noch kurz erwähnt: Visuelle Darstellungen
von zweidimensionalen ZA auf einem Monitor haben Ränder, d. h., die Zellen an den linken
und rechten sowie oberen und unteren Rändern des Monitors haben keine vollständigen Umge-
bungen. Technisch gesehen bietet es sich deswegen an, den ZA als Torus zu konstruieren, um
nicht zusätzliche Regeln für die Randzellen hinzufügen zu müssen. Die Konstruktion als Torus
besagt, dass die Zellen am rechten Rand als Umgebungszellen für diejenigen am linken Rand
fungieren und umgekehrt; entsprechend fungieren die Zellen am oberen Rand als Umgebungs-
zellen für diejenigen am unteren Rand und umgekehrt. Das obige Beispiel eines eindimensio-
nalen ZA lässt sich als eine eindimensionale Variante dieses Prinzips verstehen, da die Zellen
in einer geschlossenen Kurve angeordnet sind. Will man aus bestimmten Gründen diese Lö-
sung nicht wählen, was natürlich von dem jeweiligen Modellierungsproblem abhängig ist,
müssen entsprechende Zusatzregeln für die Berechnung der Zustandswerte bei den Randzellen
eingefügt werden.
Die Berechnung der Zustandsänderungen der Zellen erfolgt gewöhnlich zeilenweise, d. h., das
Programm beginnt links oben in der ersten Zeile des Zellengitters, durchläuft diese und geht
dann zu den vertikal folgenden Zeilen. Diese sog. synchrone Berechnung wird in den meisten
Fällen angewandt: Bei ihr werden zuerst sämtliche Zellenzustände in Abhängigkeit vom ge-
samten Gitter berechnet - natürlich nur in Bezug auf die jeweiligen Umgebungen - und dann
neu eingesetzt. Für spezielle Fragestellungen, insbesondere wenn es um die Modellierung
mancher natürlicher Prozesse geht, ist es zuweilen sinnvoll, die Zellen asynchron oder sequen-
tiell zu aktualisieren (Gerhardt und Schuster 1995; Schmidt et al. 2010).
So einfach die Grundlogik von ZA ist, so bedeutsam sind zahlreiche Ergebnisse, die durch ZA-
Modellierungen erzielt werden konnten. So konnten unter anderem Epstein und Axtell (1996)
durch die Konstruktion des ZA „Sugarscape“ zeigen, dass einige traditionelle Annahmen der
Ökonomie hinsichtlich kapitalistischer Märkte revidiert werden müssen, wenn diese von der
Ebene der individuellen Akteure aus modelliert werden. Ein anderes berühmtes Beispiel ist die
Modifizierung des Eigenschen Hyperzyklus (ein mathematisch-biochemisches Modell der
Entstehung des Lebens), von dem Maynard Smith zeigte, dass dieser instabil ist, d. h. äußerst
anfällig, gegenüber Parasiten. Boerlijst und Hogeweg (1992) konstruierten einen ZA, der die
ursprünglichen Schwächen des Hyperzyklus nicht mehr aufweist und außerdem wesentlich
einfacher ist als das Modell von Eigen. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von ZA
sind noch längst nicht vollständig erkannt. Ebenfalls klassisch geworden ist ein ZA des Sozio-
logen und Ökonomen Schelling (1971), der mit diesem Modell die Entstehung von ethnischen
Segregationen untersuchte, um die Entwicklung von Ghettos in amerikanischen Großstädten zu
studieren. 3 Man sieht, vielfältiger geht es nimmer.
3
Nicht nur, aber auch für seine ZA-Modellierungen hat Schelling übrigens 2005 die Hälfte des
Nobelpreises in Ökonomie erhalten.
Search WWH ::




Custom Search