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Moore-Umgebung 2 8 = 256 verschiedene Zustände für die Umgebung. 1 Die Umgebungs-
zustände werden hier als geordnete Teilmengen dargestellt, also als Acht-Tupel von z. B. der
Form (1,0,0,0,1,1,0,1). Da jede Zelle in der Umgebung zwei mögliche Zustände einnehmen
kann, erhalten wir insgesamt 2 2 8 = 2 256 mögliche Regeln für die Übergänge, was etwa 10 85
entspricht. Man kann daraus die kombinatorische Vielfalt erkennen, die sich mit dem einfachen
Grundschema von ZA erzeugen lässt; tatsächlich ist es möglich, praktisch jede gewünschte
Systemmodellierung hiermit durchzuführen.
Bei praktischen Anwendungen ist es allerdings meistens gar nicht erforderlich, die gesamten
kombinatorischen Möglichkeiten auszunutzen. Häufig reicht es, nur allgemeinere Umgebungs-
bedingungen festzusetzen, die von mehreren der kombinatorisch möglichen Umgebungs-
zustände erfüllt werden. Man spricht in diesem Fall von totalistischen Regeln, also Regeln, die
die Umgebung einer Zelle gewissermaßen als Ganzheit charakterisieren.
Am Beispiel eines der berühmtesten ZA, dem Game of Life des britischen Mathematikers
Conway, kann dieses Prinzip gut illustriert werden; Conway wollte damit in einem mathema-
tisch möglichst einfachen Modell das (umgebungsbedingte) Leben, Sterben und die Reproduk-
tion biologischer Organismen darstellen (Berlekamp et al. 1982). Das Game of Life ist ein
binärer ZA mit einer Moore-Umgebung, der auf einer zweidimensionalen Fläche visualisiert
werden kann. Die Übergangsregeln des Game of Life lauten folgendermaßen:
IF n ist die Anzahl der Umgebungszellen im Zustand 1 und IF n < 3 oder IF n > 4, THEN geht
die zentrale Zelle im nächsten Zeitschritt in den Zustand 0 über, unabhängig von ihrem bishe-
rigen Zustand.
IF n = 3, THEN geht die zentrale Zelle in den Zustand 1 über, unabhängig
vom vorherigen Zustand.
IF n = 4, dann bleibt die zentrale Zelle in ihrem bisherigen Zustand.
Einfacher ausgedrückt: Wenn zu wenige oder zu viele Organismen in der Umgebung eines
Organismus existieren, dann stirbt dieser; existiert genau die richtige Anzahl, dann entsteht
neues Leben oder die Verhältnisse bleiben konstant. Nebenbei bemerkt, die 2. Regel ist natür-
lich zumindest auf der Erde nicht biologisch realistisch, da zur Reproduktion von Organismen
entweder ein Organismus ausreicht - monosexuelle Reproduktion - oder in dem insbesondere
für Menschen interessanten Fall genau zwei Organismen erforderlich sind (heterosexuelle
Reproduktion). Vor allem den letzteren Fall, der in der sozialen Realität häufig zu juristischen
Komplikationen führt, werden wir in dem Kapitel über evolutionären Algorithmen näher be-
handeln.
Totalistisch sind diese Regeln insofern, als die geometrische Lage der einzelnen Umgebungs-
zellen offensichtlich keine Rolle spielt; es geht nur um die absolute Anzahl der Umgebungszel-
len, die in bestimmten Zuständen sein müssen. Wenn man nun die Konvention einführt, dass
die Umgebungszustände als Acht-Tupel geschrieben werden, indem man mit der Umgebungs-
zelle anfängt, die am linken unteren Eckpunkt der Zentralzelle platziert ist und anschließend im
Uhrzeigersinn fort fährt, dann lässt sich die Regel 2. offenbar unter anderem durch folgende
Umgebungsgleichungen darstellen:
((1,1,1,0,0,0,0,0) o 1) = ((1,1,0,1,0,0,0,0) o 1) = ((0,0,0,0,0,1,1,1) o 1) etc.
Man kann also die kombinatorische Vielfalt sehr rigide reduzieren.
1
Die Behauptung „ohne Beschränkung der Allgemeinheit“ ist deswegen korrekt, weil sich bekanntlich
jede natürliche Zahl durch eine binäre Zahl darstellen lässt.
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