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2 Zellularautomaten und Boolesche Netze
Zellularautomaten und Boolesche Netze sind ein mittlerweile schon fast klassisches Musterbei-
spiel von bottom-up Modellen, da diese formalen Systeme ausschließlich auf der Basis von
lokalen Wechselwirkungen konstruiert werden können. Die einfache Grundlogik dieser Algo-
rithmen lässt sich prinzipiell als eine kombinatorische Erweiterung der binären Aussagenlogik
verstehen und somit als ein Modell der einfachsten Grundformen menschlichen Denkens. Trotz
dieser prinzipiellen Einfachheit ist es möglich, Prozesse nahezu unbegrenzter Komplexität mit
diesen Modellen zu erfassen. Mit ihnen kann insbesondere die einfache Selbstorganisation von
Systemen analysiert werden, d. h. die Entstehung bzw. Emergenz globaler Ordnungsstrukturen
aus rein lokalen Interaktionen der Systemelemente. Darüber hinaus kann auch adaptives Ver-
halten mit Zellularautomaten bzw. Booleschen Netzen modelliert werden, wenn zu den Inter-
aktionsregeln spezielle Metaregeln eingefügt werden.
Bei der Modellierung natürlicher Prozesse zeigt sich häufig, dass ein deterministisches System
nur partiell das tatsächliche Vorgehen simuliert, z. B. wenn es um Entscheidungsfindungen
oder bestimmte Verhaltensweisen in konkreten Situationen geht. Menschen haben z. B. mehre-
re Optionen bzw. Verhaltensstrategien, nach denen sie entscheiden, wie sie sich in einer Situa-
tion tatsächlich verhalten. Um derartige Phänomene modellieren zu können, ist eine zusätzliche
Unterscheidung erforderlich:
Wir nennen eine Regel deterministisch , wenn diese Regel immer in Kraft tritt, falls die ent-
sprechenden Bedingungen vorliegen. Wir nennen dagegen eine Regel stochastisch , wenn sie
nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in Kraft tritt, auch wenn die entsprechenden
Bedingungen gegeben sind. Der Kürze halber nennen wir dann ein System mit rein determinis-
tischen Regeln ein deterministisches System; analog sprechen wir von einem stochastischen
System, wenn dies von stochastischen Regeln gesteuert wird. Dabei kann der Fall auftreten,
dass ein stochastisches System neben stochastischen Regeln auch über deterministische Regeln
verfügt. Maschinen etwa sind gewöhnlich deterministische Systeme, da ihre Teile immer auf
die gleiche Weise miteinander wechselwirken. Menschen dagegen, wie bemerkt, verhalten sich
häufig, wenn natürlich auch nicht immer, nach stochastischen Regeln: Ob ein Abiturient mit
Leistungskurs Mathematik ein mathematisch-naturwissenschaftliches Studienfach wählt, lässt
sich immer nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit p prognostizieren (p von englisch
probability bzw. lateinisch probabilitas = Wahrscheinlichkeit).
Prozesse, die nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ablaufen, können mit stochasti-
schen Zellularautomaten besonders gut modelliert werden. Wir werden deswegen neben de-
terministischen Zellularautomaten auch stochastische Zellularautomaten vorführen und im
letzten Teil dieses Kapitels anhand eines Modells konkretisieren.
Zusätzlich ist es oftmals nicht ausreichend, mit einer binären Logik zu operieren. Durch die
Verwendung von Fuzzy-Methoden kann dieses Problem gelöst werden. Das gilt vor allem für
die Konstruktion von Modellen, bei denen sich die Regeln nicht eindeutig bestimmen lassen,
sondern nur mit einer gewissen Unschärfe. Fuzzy-Methoden, die in dem entsprechenden Kapi-
tel ebenfalls dargestellt werden, sind von daher als eine Erweiterung von Basismodellen zu
verstehen. Diese Erweiterung lässt sich auch mit Zellularautomaten realisieren; deswegen wer-
den wir in dem Kapitel über Fuzzy-Methoden auch einen Fuzzy-Zellularautomaten vorstellen.
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