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Eine Illustration dieses Sachverhalts zeigt das zweite Beispiel im nächsten Kapitel, nämlich ein
Zellularautomat, der die Herausbildung politischer Einstellungen durch wechselseitige Beein-
flussungen der politischen Akteure simuliert (siehe unten 2.4.3).
Die bisherige Charakterisierung des Verhaltens bzw. der Dynamik eines Systems setzt voraus,
dass im Beobachtungszeitraum die Regeln - generell oder topologisch - der lokalen Wechsel-
wirkungen konstant bleiben. Dies gilt für viele Systeme, insbesondere in kurzen Beobach-
tungszeiten; häufig gilt jedoch, dass sich Systeme auch adaptiv verhalten können, d. h., sie
können nicht nur ihre Zustände verändern wie eben skizziert, sondern auch ihre „Struktur“,
d. h. die Regeln der Wechselwirkung, um bestimmten Umweltanforderungen gerecht zu wer-
den (Holland 1975 und 1998; Stoica 2000; Klüver 2002). Die bekanntesten Beispiele für adap-
tive Systeme sind natürlich biologische Gattungen, die sich in der biologischen Evolution
durch Variation und Selektion verändern; auch soziale Systeme, die ihre Regeln durch politi-
sche Veränderungen (Reformen, Revolutionen) variieren, und kognitive Systeme, die dies
durch individuelle Lernprozesse erreichen, sind hier zu nennen.
Die Adaptivität eines Systems lässt sich formal wie folgt definieren: Gegeben sei ein System S
in einer bestimmten Umwelt U, sowie eine Gesamtheit von Regeln lokaler Wechselwirkun-
gen f. Eine Bewertungsfunktion
b(Z i ) = W („Fitnessfunktion“)
(1.7)
bestimmt, wie gut das System mit den gegebenen Umweltanforderungen zurechtkommt, indem
ein „Systemwert“ W der Zustände Z i berechnet wird; im Allgemeinen ist W IR + , also eine
reelle positive Zahl. Die Eignung des Systems in Bezug auf U, genauer bezüglich der entspre-
chenden Umweltanforderungen, wird definiert durch eine Differenz
U - W, (1.8)
die natürlich je nach System und Umweltanforderungen unterschiedlich berechnet wird. Ist
diese Differenz sehr groß, d. h., ist das System nicht in der Lage, die Umweltanforderungen
adäquat zu erfüllen, variiert S seine Regeln aufgrund spezieller Metaregeln m, die auf den
Regeln von f operieren. Metaregeln sind also spezielle Regeln, die nicht als Regeln der Wech-
selwirkung bestimmte Zustände generieren, sondern eine Variation der lokalen Wechselwir-
kungsregeln erzeugen. So wie die Wechselwirkungsregeln f eine Trajektorie des Systems im
Zustandsraum generieren, so generieren die Metaregeln m gewissermaßen „Regeltrajektorien“
im Raum der möglichen lokalen Regeln. S operiert mit den veränderten neuen Regeln
m(f) = f´, (1.9)
die jetzt neue Zustände generieren, d. h. Zustände Z´, die mit den bisherigen Regeln nicht reali-
sierbar waren. Die Zustände werden erneut durch b evaluiert
b(Z´) = W´, (1.10)
was entweder dazu führt, dass f´ beibehalten wird oder erneut eine Variation der lokalen Re-
geln erfolgt etc. (Klüver u. a. 2003). Dies geschieht entweder so lange, bis die Differenz
U - W´ (1.11)
hinreichend klein ist, so dass sich das System aufgrund seiner Adaption in der Umwelt bewah-
ren kann, oder bis die Regelveränderung selbst zu einem Attraktor führt, einem so genannten
Metaattraktor: So wie die Einwirkung von Regeln auf ein System dieses in einen Attraktor
bringen kann, so kann entsprechend die Variation von Regeln durch Metaregeln in einen „Re-
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