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Komplexere soziale Prozesse wie Gruppenbildungen oder das Entstehen von Institutionen
folgen generell keiner einfachen allgemeinen Logik, sondern orientieren sich an spezifischen
Regeln, die gewöhnlich nur lokal zu analysieren sind und die auch meistens nur lokal wirken.
Dies gilt streng genommen sogar für die Bereiche ökonomischen Handelns, etwa das Handeln
in und für einzelne Betriebe. Entsprechend sind kognitive Prozesse letztlich nur dadurch präzi-
se zu verstehen, dass sie als lokale Wechselwirkungen zwischen „kognitiven Einheiten“ aufzu-
fassen sind - seien dies biologische Neuronen oder Begriffe in der Struktur semantischer Net-
ze. Der in der Informatik in der letzten Zeit sehr prominent gewordene Begriff der Agentensys-
teme bzw. Multiagentensysteme (MAS) zeigt, dass auch hier die Vorteile von bottom-up Mo-
dellierungen erkannt worden sind, die sich auf unterschiedliche Probleme anwenden lassen und
häufig Orientierungen aus sozialen Kontexten folgen.
In einem theoretischen Sinne bilden die bottom-up Modellierungen durch Techniken des Soft
Computing also bestimmte Realitätsbereiche ab, die formal als „komplexe dynamische Syste-
me“ mit lokalen Wechselwirkungen definiert werden. Da dies eine fundamental gemeinsame
Ebene dieser Modellierungen ist, sollen als theoretische Grundlage einige wichtige Begriffe der
Theorie komplexer Systeme erläutert werden.
1.2 Dynamiken komplexer Systeme
Aus dem obigen Zitat von Langton geht bereits hervor, dass bei Systemen, deren Dynamik aus
den lokalen Wechselwirkungen zwischen den Elementen generiert wird, nicht das Gesamt-
verhalten des Systems zum Ausgangspunkt genommen wird - wie bei dem klassischen top-
down Ansatz -, sondern die Ebene der einzelnen Elemente und ihre Wechselwirkungen bzw.
Interaktionen mit jeweils anderen Elementen; das Verhalten des Gesamtsystems, d. h, seine
Dynamik, ergibt sich bei diesem Ansatz als „emergentes“ Resultat aus den streng lokal defi-
nierten Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Elementen.
Da der Begriff „System“ nicht immer einheitlich definiert wird, greifen wir hier auf die klassi-
sche Systemdefinition von v. Bertalanffy (1951), dem Begründer der modernen Systemtheorie,
zurück:
„Wir definieren ein ‚System' als eine Anzahl von in Wechselwirkungen stehenden Elementen
p 1 , p 2 ... p n charakterisiert durch quantitative Maße Q 1 , Q 2 ... Q n . Ein solches kann durch ein
beliebiges System von Gleichungen bestimmt sein.“ (v. Bertalanffy 1951, 115)
Diese Definition kann entsprechend erweitert werden, so dass unterschiedliche Gegenstands-
bereiche methodisch als Systeme definiert werden können, die aus Elementen und Wechsel-
wirkungen zwischen diesen bestehen. Analog können auch die „Elemente“ verschiedenartig
bestimmt werden, wie in den Modellen und Beispielen in den folgenden Kapiteln dargestellt
wird.
Die Dynamik eines derartigen Systems ergibt sich wie folgt: Die Elemente befinden sich zum
Zeitpunkt t in bestimmten Zuständen. Die Wechselwirkungen bedeuten in diesem Fall, dass
gemäß bestimmten lokalen Regeln die Zustände der Elemente, in denen sie sich zum Zeitpunkt
t befinden, geändert werden (oder konstant bleiben). Die Gesamtheit der Zustände, in denen
sich die Elemente zum Zeitpunkt t befinden, kann als der (Gesamt)Zustand Z t des Systems
definiert werden; es ist dabei natürlich eine Frage des Forschungsinteresses, wie dieser Ge-
samtzustand jeweils berechnet wird. Die Regeln der Wechselwirkung generieren die Trajekto-
rie des Systems im Zustandsraum, d. h. eine Abbildung des Zustand Z t auf den Zustand Z t+1
und durch rekursive Iterationen der Abbildungen alle weiteren Zustände.
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